4. Juli 2015

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Allerdings sind die Etappen schnell aufgezählt; gefahren dauern sie länger. Erschwerend kommt hinzu, dass ich am Alkmaarder Bahnhof mit Helena zusammenstoße – wortwörtlich. Wir kommen beide von den Bahnsteigen und wollen zugleich auf die Treppe nach draußen, wo aber im Gewühl nur für einen Platz ist.
„Jeremy!“, ruft sie erstaunt und hält mich am Arm fest.
„Hoi“, sage ich knapp und will weg.
„Deine schönen Haare!“, fällt ihr sofort auf, „Warum hast du sie abgeschnitten?“
„Darum“, gebe ich schroff zurück und mache mich los.
„Wie geht es dir?“
„Willst du das wirklich wissen?“
„Sonst hätte ich nicht gefragt. Jeremy, bitte. Lass uns wieder Frieden schließen, ja?“
„Du musst dir mal klar werden, was du willst. Erst machst du mit mir Schluss, jetzt willst du Frieden. Was kommt als nächstes?“
Ich sehe in ihrem Gesicht, dass ihr meine abweisende Haltung weh tut. Das ist Absicht! Immerhin hat sie mir auch sehr wehgetan. Ich gehe weiter zum Bussteig, und Helena geht mit. „Was machst du hier in Alkmaar?“, will sie wissen.
„Marjorie hat mich eingeladen zum Pizzaessen.“
„Mmh!“, schwelgt sie, denn sie weiß, worum es bei Marjories Pizzaessen geht. „Grüß sie von mir, ja?“
„Mal sehen.“
„Och Jeremy“, macht sie und klingt wie früher: genervt über meine Sturheit.
Alles wie immer. Aber „wie immer“ ist vorbei, was sie und mich betrifft. Abrupt bleibe ich mitten auf dem Bussteig stehen, dass sie erst einen Schritt später zum Halten kommt. „Pass mal auf, Helena Smid. Du hast beschlossen, dass du dein Leben nur noch ohne mich leben kannst. Gut so! Leb dein Leben ohne mich! Aber lass mich in Ruhe, kapiert?“
Das hat gesessen.

Ich habe nach wie vor einen Schlüssel, denn Marjorie will nicht, dass ich wie ein Besucher klingeln muss. (51) Der Duft von Oliven, geschmolzenem Käse und Tomatenpüree sowie x anderen guten Zutaten steht wie ein See in der Haushälfte.
Meine junge Stiefmutter hat gehört, dass ich herein gekommen bin und tritt aus dem Wohnzimmer, wo sie gesessen hat.
„Hallo Jeremy“, begrüßt sie mich und wir umarmen uns. Dann schaut sie mich ausführlich an, denn sie sieht mich ja gerade zum ersten Mal mit meiner schon nicht mehr ganz so neuen Frisur. Ihr Resümee lautet: „Ach, was bist du ein hübscher Kerl. Aber du guckst unglücklich. Was ist los?“
„Hab am Bahnhof Helena getroffen.“
„Habt ihr miteinander geredet?“
„Nee. Nur sie.“
Marjorie kennt mich lang genug, um den Unterschied zu wissen. Ich kann ohne Punkt und Komma quasseln, aber wenn ich nicht will, wird ein Gespräch eine einseitige Sache.
„Was wollte sie?“
„Frieden“, knurre ich.
Weil ich vermutlich aussehe, als hätte ich es nötig, streichelt sie meine Wange. „Aber sie hat keinen gekriegt, schätze ich.“
„Nee.“
„Das kann sie vielleicht in einem halben Jahr versuchen, aber noch ist das zu früh. Lass dich nicht unter Druck setzen von ihr.“
„Vorhin war ich übrigens am Strand.“
„Wo, in Bergen oder in Egmond?“
„Egmond.“
„Da war es bestimmt kalt.“

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