Mitten im Schankraum trifft Anno auf uns. „Na, haste dich geklont?“, ulkt er, nachdem er uns verglichen hat.
„Klar. Das liegt voll im Trend. Solltest du auch machen“, erwidert Cornelius, bevor mir eine passende Antwort in den Kopf kommt. „Das hilft ungemein gegen Schüchternheit. Man muss nur zusammen irgendwo aufkreuzen und wird sofort angesprochen.“
„An der Aussprache von deinem Klon solltest du aber noch ein bisschen feilen“, sagt Anno zu mir. Mit der Schlagfertigkeit meines „Klons“ hat er wohl nicht gerechnet. Ich auch nicht.
„Ja, er ist noch nicht so perfekt, wie ich mir das vorgestellt hatte. Wir machen demnächst eine Sprachreise, da lernt er auch, dass er bei anderen Leuten den Mund aufmachen darf und so Sachen.“ Cornelius tätschelt grinsend meinen Schädel und geht dann zum Tresen. Er beginnt, mit der Kellnerin über irgend etwas zu reden, wir verstehen nicht, worum es geht.
Anno dreht sich seufzend wieder zu mir um und macht eine Grimasse. „Nichts als Ärger mit den Klonen.“
„Da sagst du was. Fällt mir beim Thema Sprachreise ein, gibt es Neues von Ieuwkje?“ Ich habe ganz vergessen, Tante O danach zu fragen. Im Hafen habe ich noch daran gedacht. Ich werde alt, scheint’s.
Er seufzt noch einmal. „Ja. Sie hat gestern aus Buenos Aires angerufen. Wenn sie kann, wie sie will, bleibt sie noch einen Monat zum Urlaub machen. Die haben ja jetzt Sommer.“
„Ach, du armer kleiner Strohwitwer. Ihr hättet vorher Schluss machen sollen, dann wäre die Zeit nicht so hart.“
„Quatsch. Das wäre sie dann auch, nur anders“, macht Anno. Wir gehen zu Marc und Boje an den Tisch, dann gesellt sich auch Cornelius zu uns. Ich erkläre den neugierigen Freunden, dass es sich doch nicht um den ersten erfolgreich geklonten Menschen handele, sondern dass sie hier meinen bis dahin unbekannten Halbbruder vor sich sehen.
Marc will wissen, wieso er bis dahin unbekannt war und Cornelius sagt, dass er in Kanada aufgewachsen ist und sich erst vor einer Woche auf die Suche nach mir gemacht hat. Dann kramt er sein Zigarettenpäckchen vor und will sich eine Kippe anzünden, aber wir rufen fast im Chor: „Rauchverbot!“
„Warum?“, gibt er zurück. „Seid ihr etwa alle Nichtraucher?“
„In allen öffentlichen Gebäuden herrscht Rauchverbot“, erklärt Anno.
Entsetzt guckt mein Bruder ihn an. „Rauchverbot?! In Kneipen?“
„Ja, dazu gibt es seit ein paar Jahren eine gesetzliche Regelung. Und in diesem speziellen Fall hier wären die Leute dazu noch ganz schön blöd, wenn sie es erlauben würden.“
„Wieso?“
„Wegen dem Brandschutz. Es ist doch ein Reetdachhaus. Das brennt wie Zunder. Außerdem steht es unter Denkmalschutz. Guck dich doch mal um, das Haus ist über 200 Jahre alt!“
„Und woher soll ich wissen, wie alt der Kasten ist?“, mosert er.
„Klar, woher sollst du das wissen? Als das Haus gebaut wurde, war bei dir zuhause noch Wilder Westen, he?“, blödelt Marc. Die Kellnerin kommt an den Tisch und unterbricht uns: „Ein warmes Bier?“
Cornelius nimmt es dankend entgegen und trinkt mit verzückter Miene den ersten Schluck. Dann sagt er in die erstaunt bis angewidert guckende Runde: „Mein verrückter Bruder würde sagen: „Nein, ich bin kein Deutscher, sondern das ist die magenschonendste Art, Bier zu trinken, wenn man vorher seekrank war.“ Aber er hat ja kein Problem damit. Also muss ich es euch so sagen. Ich bin wirklich kein Deutscher, aber mein Bruder ist trotzdem ziemlich verrückt.“
„Hör mal, du falscher Deutscher“, setze ich zur Revanche an, „Wir könnten uns auch auf englisch unterhalten, was wir zum Teil besser sprechen als du niederländisch. Warum tust du uns das trotzdem an?“ Und wer sagt eigentlich, dass die Deutschen warmes Bier trinken? Ich war schon oft in Deutschland und habe allerhand sonderbare Dinge erlebt, aber warmes Bier trinken sie ganz sicher nicht. Na ja, vielleicht ist es ein amerikanisches Vorurteil.
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