5. Juni 2015

55

Mein Handwerksunterricht findet im Augenblick nur mit Mädchen statt. Trotz aller Emanzipation haben Grietje und ich es irgendwie vorausgesetzt, dass Mädchen sich lieber mit Garn und Perlen beschäftigen als mit Säge, Hammer und anderem Werkzeug. Der Fehler passiert uns ganz sicher nicht wieder!
Ein für seine vier Jahre sehr selbstbewusstes Mädchen ist vor einiger Zeit auf mich zugekommen und hat sich darüber beschwert. Dass sie immer so einen „Puppenkram“ machen müsse und die Jungs dagegen interessante Sachen machen dürften und so. Ich hab die Kleine sehr gern, weil sie so offen heraus ihre Meinung sagt und uns genauso offen heraus ihr Herz geschenkt hat. Ich habe sie gefragt, wie sie sich einen besseren Unterricht vorstellen könnte. Werken, aber nur mit Mädels, das war ihr Traum. Grietje und ich sind dem gerne nachge­kommen, und die Jungs stellen sich geschickt an bei den Perlenstickereien, die Grietje ihnen als Ausgleich angeboten hat.
Nur für mich ist das nichts. Ich kriege nicht mal einen Faden in die Nadel. Insofern ist es gut, dass ich nicht vier oder fünf Jahre alt bin.

Zu Feierabend weiß ich, dass der Alltag mich zurück gewonnen hat und außerdem, dass er sich wesentlich besser ertragen lässt als vor meiner Auszeit auf Dersummeroog. Die Arbeit macht mir so viel Spaß wie früher und die nonverbale Kommunikation zwischen Grietje und mir klappt wie eh und je. (32) Das vor allem muss es gewesen ein, was Grietje dazu bewogen hat, den Sonderurlaub für mich in die Wege zu leiten. Ich bin sicher, dass ich die freien Tage nur ihr zu verdanken habe.
Abends besuche ich Mommi, was ich gestern nach der verkrachten Bandprobe natürlich nicht mehr machen konnte. Da hätte ich sie wohl aus dem Bett werfen müssen.
Sie bestätigt mir, dass meine neue Frisur gut aussieht, auch wenn sie sich erst wieder daran gewöhnen muss. Früher, als ich ein kleiner Junge war, hatte ich auch immer ziemlich kurze Haare. Allerdings waren sie damals noch hellblond; laut Mommi bin ich ein richtig süßes Kerlchen gewesen.

Schon am nächsten Samstag werde ich den Holzstapel im Flur los. Pieter hat einem Bekannten von dem Bett erzählt und der kommt sogar selbst und holt es ab.
Dann fahren Pieter und ich zu einem Spediteur im Industriegebiet von Zuyderkerk, um ihm ein paar Paletten aus dem Kreuz zu leiern. Der Mann will wissen, wann er die Dinger zurück bekommt, aber woher soll ich das wissen? Erst als wir ihm erklären, was wir mit seinem guten Eigentum vorhaben, gibt er Ruhe und uns, was wir wollen. Und weil wir gerade so schön organisieren, düsen wir auch gleich weiter nach Hoorn, wo es einen Bettendiscounter gibt. Ruckzuck habe ich meine neue Schlafstatt beisammen.
Wieder zuhause begebe ich mich an die mühselige Arbeit, die restlichen Dielenbretter erst grob, dann fein abzuschleifen und schließlich mit Wachs zu behandeln. Vor einer halben Woche haben wir nur da gearbeitet, wo die Möbel stehen werden, damit wir das Umräumen zu Ende bringen konnten.

Ich habe mich in den vergangenen Tagen schon gut in meiner Werkstatt mit Sofa einge­rich­tet. Einige Dinge muss ich noch ein paar Mal hin und herschieben, bis alles seinen Platz gefun­den hat, aber mit einer Werkstatt ist es ja nicht anders als mit einer Küche. Alles soll griffbereit sein, nichts darf im Weg liegen. Nur eins fehlt mir sehr zu meinem Glück: eine Werkbank.
Als Junge hatte ich eine ganz für mich allein, sie stand in Popps Tischlerschuppen. Aber das ist leider ziemlich lange her. Um mir einen Überblick über Angebot und Preise verschaffen zu können, verbringe ich einen halben Abend an Pieters Computer, und weil der nichts sonst zu tun hat und gerne seinen Senf dazu geben möchte, sitzt er die meiste Zeit daneben.
Selbstverständlich habe ich nicht vor, mir die Bank im Internet zu bestellen. Vor dem Kauf muss ich sie gesehen und das Holz angefasst haben, muss die Verarbeitung geprüft haben und so weiter. Dabei werde ich mich nicht auf eine Beschreibung verlassen.

Keine Kommentare: