5. Juni 2015

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Für Eelco ist eine Bandprobe eine Angelegenheit, bei der sich jeder bitteschön zu konzen­trieren hat. Lisanne und Maarten hatten aber unbedingt etwas zu bereden und der Beginn der Probe kam ihnen dazwischen. Für Eelco war es partout nicht einzusehen, die beiden ihr Thema eben zu Ende besprechen zu lassen. Nein, das sollten sie gefälligst hinterher tun.
Als Lisanne und Maarten ihr Gegenreden und Schmollen aufgegeben hatten (und die Stim­mung schon auf der Kippe stand), sind Miloš mit Abstand eines Liedes zwei Saiten gerissen. Eine – das passiert halt. Aber bei der zweiten war dann alles aus. Ab da sind Miloš und ich immer alberner geworden. Ich weiß gar nicht mehr, was so komisch war, aber wahrscheinlich mussten wir uns einfach als Gegenpol zu Eelco so aufführen. (30)

Morgens wache ich drei Minuten vor dem Wecker auf und bin kurz darauf schon singend in der Dusche. Als mir auffällt, dass ich das zuletzt getan habe, als Helena noch hier wohnte, bedanke ich mich bei meinem Gott. Es scheint so, dass ich „geheilt“ bin. Zumindest geht mein Zustand stark in diese Richtung. Ach, was täte ich ohne Jesus?
Ich bin sicher: Ohne ihn wäre ich ein armes kleines Würstchen und mein Leben wäre eine unerträgliche Anhäufung von Katastrophen.
Das einzige, was mir noch fehlt, ist das Bibellesen. Genauer gesagt fehlt es mir nicht, und das ist es, was mich unruhig macht. In den letzten Tagen habe ich es bewusst sein gelassen, weil ich mir gedacht habe, dass Zwang zu nichts führt und dass es bestimmt bald besser werden wird. Aber das wird es nicht. Als Kind habe ich mich mal an Erdbeer-Sahnetorte überfressen, erst war es mein Lieblingsessen und hinterher habe ich fast deswegen gekotzt. So fühlt es sich jetzt mit dem Bibellesen an. Als hätte ich früher immer zu viel darin gelesen. Aber geht denn das? Vor allem: wie lange wird es dauern, bis es sich legt? Mit Erdbeer-Sahnetorte kann man mich heute noch jagen. Werde ich also nie wieder Lust haben, Gottes Wort zu lesen?
Außerdem hat er uns sein Wort gegeben, damit wir uns daran orientieren können. Was wird er davon halten, dass mir seine heilige Schrift jetzt an den Ohren raus kommt?
Ich kann nicht ständig darüber nachdenken und ich will es auch nicht. Lieber verdränge ich es und bin dankbar dafür, dass mein Leben wieder sehr viel erträglicher geworden ist.

Gut gelaunt radele ich zur Schule. Im Büro sitzt schon Andjo.
„Ich will ja nicht fragen, ob alles wieder in Ordnung ist“, fängt sie nach unserer Begrüßung an, „denn das ist es wohl noch eine Weile nicht. Was dein Äußeres betrifft, geht es dir jedenfalls besser. Das freut mich. Ich weiß nicht, ob du das hören willst, aber wir haben uns Sorgen um dich gemacht.“
„Aha“, mache ich, „Danke.“ Ich bin schon zur Hälfte wieder aus dem Raum, als Andjo sagt: „Jeremy.“
Mit einem „Hm?“ erkundige ich mich nach ihrem Anliegen.
Ziemlich ernst schaut sie mich an. „Wenn du das nächste Mal so ein schwerwiegendes Problem hast, möchte ich, dass du direkt zu mir kommst. Natürlich wünsche ich dir das nicht, das tut keiner hier. Aber unser gutes Vertrauensverhältnis funktioniert nur dann richtig gut, wenn wir auch in Krisenzeiten zueinander stehen.“
Ich nicke. Wie üblich weiß ich nicht, was ich sagen soll. Verlegen spiele ich mit der Türklinke herum. Prompt sagt meine Bereichsleiterin: „Lass die Klinke in Ruhe und komm ins Zimmer, wenn ich mit dir rede.“
Ich schließe also die Tür hinter mir und lehne mich dagegen.

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