siebzehntes Kapitel
Am nächsten Morgen habe ich ein kleines Orientierungsproblem. Wo bin ich?
Erst unter der Dusche erinnere ich mich, dass ich wieder zuhause bin. Wahrscheinlich habe ich im Traum geinselt, das kommt schon mal vor. Das aktuelle Phänomen habe ich aus gegebenem Anlass Bootlag genannt, was natürlich dem Jetlag entliehen ist. Aber ohne Jet kein Jetlag, habe ich mir gedacht.
Mommi ist übrigens während meiner Abwesenheit mindestens einmal in meiner Wohnung gewesen. Sie hat (vermutlich) den armen Gummibaum vor dem Tod durch Vertrocknen bewahrt und (ganz sicher) meinen Kühlschrank davor, eine Pilzkolonie zu werden. Ich werde sie heute Abend besuchen, mal schauen, wer schneller gewesen ist, die Postkarte oder ich.
Als ich meine morgendlichen Startschwierigkeiten überwunden habe, mache ich mich auf den Weg zum Supermarkt zwei Straßen weiter. Auf halbem Wege kommt mir Pieter entgegen, der das Frühstück offenbar gar nicht mehr abwarten kann. Meine Armbanduhr zeigt gerade mal halb neun an. Das sage ich ihm auch.
„Dass du ein bisschen hinter der Zeit bist, ist nichts Neues, aber dass deine Uhr dabei jetzt mitmacht, ist etwas übertrieben, findest du nicht?“, pflaumt er mich an.
„Ich? Hinter der Zeit? Wie meinst du das?“
„Uhren funktionieren zuverlässiger, wenn man die Batterien regelmäßig auswechselt.“ Mit Pieters freundlicher Hilfe entdecke ich vor einer Apotheke eine Uhr, die zeigt, dass es mittlerweile zwölf vor zehn ist. „Oh“, ist alles, was mir spontan dazu einfällt.
„Siehst du, wie gut, dass du mich hast. Ohne mich wärst du ab jetzt überall zu spät erschienen und hättest nicht mal gewusst, warum alle mit dir schimpfen.“ Er lacht sehr zufrieden.
Weil uns die Freundschaft wirklich durch den Magen geht, backe ich ein paar Pfannkuchen. Während wir uns den ersten teilen und der zweite den vorbildlichen Bräunegrad erreicht, eröffnet Pieter mir, dass er gestern Abend noch in Helenas favorisiertem Bistro in Alkmaar war und dort seine Meinung über den Zustand der Wohnung weitergegeben hat.
Meine Begeisterung darüber hält sich in engen Grenzen. Trotz der erholsamen Tage auf Dersummeroog bin ich noch lange nicht über die Beziehung und vor allem ihr Ende hinweg. Da ich es nicht ungeschehen machen kann, denke ich lieber nicht dran und verdränge es vorerst, bis ich mich mit etwas zeitlichem Abstand damit befassen kann. In dieser Situation ist es wenig hilfreich, wenn sich jeder berufen fühlt, seinen Senf dazuzugeben. Das sage ich Pieter auch, allerdings kürzer: „Hättest du auch lassen können.“
„Tschuldigung“, macht er und klingt ein bisschen zerknirscht.
„Und was meinst du eigentlich, was das bringen soll?“, schiebe ich noch nach. „Glaubst du, dass sie zu mir zurück kommt, wenn du sie nur lang genug beschimpfst?“
„Darum ging es mir ja gar nicht. Ich hab sie freundlich daran erinnert, dass du dich geldmäßig bei vielen Sachen beteiligt hast, die sie vor zwei Wochen so begeistert aus der Wohnung geräumt hat. Erst wusste sie angeblich gar nicht, wovon ich rede, aber ich hab ihr das eine oder andere Möbelstück aufgezählt, bei dem ich mir sicher war. Ich glaub, irgendwie war es ihr peinlich, dass es einer gemerkt hat. Sie wollte dann ein paar Sachen zurück bringen, aber ich hab ihr einen besseren Vorschlag gemacht.“
Ich befördere den Pfannkuchen auf unseren gemeinsamen Teller und gebe neuen Teig in die Pfanne. Dann setze ich mich wieder an den Tisch. „Und, welchen?“ Warum wühlt in dem Trümmerhaufen, in den ich gerade etwas gebracht hatte, das entfernt wie Ordnung aussieht? Mir wäre es lieber, wenn er sich nicht zum Anwalt der Verlassenen gemacht hätte.
„Sie überweist dir drei Monate lang die Hälfte der Miete. Das dürfte so ungefähr der Gegenwert von den Möbeln sein.“
„Und was soll ich drei Monate lang mit der Hälfte der Miete? Falls du dich erinnerst, habe ich hier auch schon vor Helenas Einzug gewohnt und das hat mich nicht ruiniert. Glaubst du etwa, das wäre jetzt anders?“, meckere ich rum. „Außerdem hatten Helena und ich uns darauf geeinigt, welche Sachen sie mitnehmen kann! Traust du mir neuerdings nicht zu, dass ich mich alleine gegen meine Ex wehren kann?“
„Entschuldigung, Mann“, meckert Pieter zurück. „War bloß nett gemeint. Du kannst das Geld ja für alles mögliche ausgeben, das ist mir doch völlig egal.“
„Ja, toll, aber jetzt lass mich bitte mit dieser Frau in Ruhe und mit deinen guten Ideen auch.“ Ich will wirklich nichts mehr darüber hören.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen