4. Juni 2015

5

zweites Kapitel

Pieter und ich haben sehr lange in meiner Küche gesessen.
Vorhin bin ich wach geworden und habe mich alleine in der Wohnung vorgefunden. Pieter hat mir einen Zettel hingelegt, dass er schon weg ist (da wäre ich von selbst nie drauf gekommen) und dass er später mal gucken kommt, wie es mir so geht.
Aber er wird mich hier nicht antreffen. Ich will ja schon seit Freitag nach Alkmaar fahren und mit Helena reden. Ich darf das nicht länger vor mir her schieben; ich muss mit ihr reden. Vielleicht ist alles nur ein riesengroßes Missverständnis. Das hoffe ich zumindest. Mein Leben ist ohne sie nicht viel wert, deswegen muss sie einfach wieder zu mir zurückkommen.
Ich wüsste nicht, was sich in den letzten Monaten derart verändert haben könnte, dass sie auf einmal keinen Sinn mehr gesehen hat in unserer Beziehung. Sie ist doch glücklich gewesen, warum also hat sie mit mir Schluss gemacht? Das verstehe ich nicht.
Vielleicht kann ich sie überreden, zurück zu kommen. Und wenn nicht, dann wird sie mir hoffentlich wenigstens erklären, was passiert ist.

Am Haus, in dem Kristien wohnt, drücke ich wahllos auf einige Klingelknöpfe; irgendwer wird schon aufmachen. Würde ich nur bei Kristien klingeln, könnte ich lange vor der Tür stehen und Wurzeln schlagen. Die konnte mich noch nie ab, und sie hat sich auch nicht allzu viel Mühe gegeben, mich etwas anders glauben zu lassen. Nur wegen Helena habe ich mir das gefallen lassen und Frieden gehalten.
Die beiden Mädels erwarten mich schon an der Wohnungstür. Kristien verdreht die Augen und sagt, als hätte sie eine Wette gewonnen: „Na, was hab ich dir gesagt?“
Helena steht mit verschränkten Armen vor mir. „Was gibt’s?“, erkundigt sie sich genervt.
„Ich muss mit dir reden“, sage ich zu ihr und beachte ihre Freundin gar nicht.
„Ich will aber nicht mit dir reden. Ich habe dir alles gesagt, was du wissen musst und jetzt geh bitte, bevor wir die Polizei holen.“
„Aber Helena!“, versuche ich es anders, „ich will doch nur“
„Ich will aber nicht! Jeremy, verstehst du das nicht? Ich hab Schluss gemacht, das meinte ich auch so. Es ist aus. Geh jetzt.“
„Ja aber“, fange ich von vorne an und werde diesmal von Kristien unterbrochen: „Hast du das immer noch nicht kapiert? Verpiss dich endlich!“
Mir reißt der Geduldsfaden. „Verdammt, Helena, hör mir zu und schick die Schlampe weg, sonst vergess ich mich!“, brülle ich los.
In diesem Moment kommt ein Mann aus dem hinteren Teil der Wohnung. Er sieht extrem ungepflegt aus, hat gesundheitsgefährdendes Übergewicht und sagt drohend: „Du gehst jetzt wirklich besser, sonst wird das echt unangenehm für dich.“
Helena schmiegt sich in seinen Arm und auf einmal verstehe ich alles.
So ist das also.
Sie hat natürlich doch einen Anderen.
Es geht gar nicht um mich oder um sie oder um das, was in unserer Beziehung falsch gelaufen ist.
Ich schaue nur sie an, damit ich nichts verpasse, was sie sagt und wie sie guckt. „Wer ist das?“, frage ich heiser.
„Vince“, erklingt Kristiens Stimme aus dem Off.
„Und wie lange geht das schon so?“, will ich wissen.
Wieder ist es Kristien, die antwortet: „Seit drei Monaten“, denn Helena starrt mich bloß an. Sie hat nicht damit gerechnet, dass ich alles herauskriegen könnte. Was denkt sie von mir, ich bin doch nicht blöd! Sie hat mich hintergangen, drei Monate lang!!

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