sechzehntes Kapitel
An meiner Wohnungstür hängt ein Zettel, dass ich mich bitte bald bei Betty melden soll, das ist die Frau, die eine Etage drunter wohnt. Ich stelle nur rasch mein Gepäck im Flur ab und gehe dann neugierig zu ihr.
„Hoi“, sagt sie freundlich und mustert mich. „Du siehst gut aus.“
„Danke“, sage ich erfreut. Schon deswegen hat sich der Weg zu ihr gelohnt.
„Ich weiß zwar, dass du Möbel restaurierst, aber müssen dir deine Freunde das Zeug unbedingt dann bringen, wenn du eine Woche nicht zuhause bist?“, fragt sie lachend. „Guck dir mein Wohnzimmer an, es ist eher ein Möbellager.“
Ich folge ihr in die Wohnung; das mit dem Möbellager ist keineswegs übertrieben. Es sind fünf verschiedene Sitzgelegenheiten, ein Kleiderständer und ein hoher Schrank, dem eine Tür fehlt. Die andere hängt schief in den Scharnieren. Im früheren Leben ist er ein hübsches Möbelstück gewesen. „Wer hat die Sachen denn hier abgeliefert?“, fällt mir ein.
„Verschiedene Leute. Sie haben mir keine Namen gesagt und ich habe vergessen danach zu fragen. Das musst du leider alleine rauskriegen.“
„Hm“, mache ich. „Na ja, wenn sie die Sachen zurückhaben wollen, werden sie wiederkommen.“ Wenn sich keiner meldet, behalte ich sie, denn in meiner Wohnung ist ja gerade ziemlich viel Platz.
Seltsam ist aber schon, dass nicht einmal Zettel hinterlassen wurden! Ich belade mich mit einem Küchenstuhl sowie dem schweren Klavierhocker, der auf der Treppe einen dicken Packen Noten von sich gibt und dann gleich nur noch die Hälfte wiegt. (28) Falls niemand den Hocker zurück haben will, werde ich sie Lisanne schenken, wenn ich sie das nächste Mal sehe, sie kann bestimmt etwas damit anfangen.
Dann ändere ich den Aufenthaltsort des Kleiderständers und der beiden Klappstühle, die unzweifelhaft aus demselben Haushalt stammen, denn sie haben identische selbstgenähte Sitzkissen. Eigentlich haben sie keinerlei Renovierungsbedarf. Zum Schluss ist ein gemütlich aussehender Korbsessel an der Reihe, dessen abstehende Fasern mit reichlich durchsichtigem Klebeband befestigt worden sind. An der Rücklehne klafft allerdings ein Loch im Geflecht. Der kranke Schrank ist zu schwer, um ihn alleine zu tragen, ich fürchte außerdem, dass er dann gänzlich auseinander bricht. Bestimmt hilft Pieter mir dabei.
Betty ist einverstanden, sofern sie ihn im Laufe dieser Woche loswird. Am Wochenende bekommt sie Besuch, da will sie ihr Wohnzimmer frei haben.
Ich bedanke mich für den Lagerservice und gehe zurück in meine Wohnung.
Dort höre ich den Anrufbeantworter ab, der mir die ganze Zeit schon entgegen blinkt. Vier Nachrichten sind keine, der Anrufer hat ohne einen Ton zu sagen aufgelegt. Die fünfte ist von Pieter. Er bittet darum, angerufen zu werden, wenn ich wieder da bin.
Erst muss ich jedoch was anderes tun. Der Apparat behauptet immer noch, Helena und Jeremy seien nicht zuhause. Das stimmt; hier wohnt keine Frau dieses Namens und wäre ich da, müsste sich das Band nicht einschalten. Ich denke einen kurzen Moment nach, wie ich am besten formuliere, dass ich gerade nicht da bin und mich später melden werde. Mir fällt nichts wohlformuliertes ein. „Hoi, bin gerade nicht da, melde mich aber bald.“ Das muss reichen.
Dann rufe ich Pieter an.
Er bietet an, direkt zu kommen, wenn ich nichts anderes vor habe. Ich warne ihn vor, dass ich anders aussehe, als er mich in Erinnerung hat, aber er sagt, so wild könne das ja nicht sein. Ich untertreibe, dass ich die Haare jetzt „etwas“ kürzer habe. Pieter fragt, ob es vielleicht bei mir was zu essen gibt, und nachdem er bekennt, dass ihm meine Kochkünste in der letzten Zeit wirklich gefehlt haben, verspreche ich ihm, dass ich mich gleich an den Herd stelle.
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