„Oh“, mache ich nun meinerseits erstaunt. „Dann hast du ja schon richtig Frühsport gemacht. Von Westerdorp nach Dersum und zurück.“
„Ach wo. Sport hält fit und ist gut für die Figur. Außer natürlich bei solchen Spargels wie dir, da ist nichts mehr zu retten. Du könntest allerdings mitkommen und mir tragen helfen“, fällt ihr dabei ein.
Cora nimmt einen Korb voller Obst und Joghurt und ähnlich gesunder Sachen mit und einen kleinen Rucksack, von dem ich nicht weiß, was er enthält.
Aber wahrscheinlich ist es eine Art Handtasche, in der lauter für Frauen wichtige Dinge sind, mit denen ein Mann nichts anfangen kann. (25)
Wieder im Hafen kann sie es gar nicht erwarten, bis ich endlich ablege. Ich lasse mich nicht aus der Ruhe bringen und erkläre ihr erst, wo Rettungswesten zu finden sind und dass ich der Kapitän bin, also auf See das Sagen habe.
Dann mache ich die Leinen los, wir tuckern aus dem Hafen, ich hisse die Segel und die Brise aus südöstlichen Richtungen schiebt uns um den Westerdorper Vaarder.
Der Vaarder ist eine sehr flache, weite Sandfläche, auf der bis vor wenigen Jahren noch Militärübungen abgehalten wurden. Er liegt wie ein breites Kissen vor dem westlichen Ende der Insel. Als Badestrand ist er ungeeignet, weil er viel zu abgelegen ist. Kein Badegast geht vom Parkplatz aus drei Kilometer, wenn er einen Strand nach 500 Metern Fußweg erreicht haben kann. Hauptsächlich dient der unwegsame Vaarder als Hochwasserschutz gegen die aus Nordwest brandende See.
Weil keine Düne die Ebene durchbricht, kommt es hier oft zu Luftspiegelungen.
„Du solltest dich nicht sonnen, sondern die Landschaft angucken“, empfehle ich hinterhältig, als man ordentlich was sieht – von Dingen, die ganz woanders sind. „Sonst hast du die Insel heute Abend immer noch nicht von der Seeseite aus gesehen.“
Gehorsam setzt sie sich auf dem Deck auf und schaut sich um. Dann höre ich sie ungläubig murmeln: „Hab ich zuviel Sonne abbekommen? Oder ist es normal, dass ich jetzt schon Häuser auf dem Strand sehe? He, Jeremy“, ruft sie, „da ist auch ein Weg mit Autos!“ Sie ist ganz aufgeregt. „Vielleicht wird der Strand jetzt bald eingedeicht und dann kommt auch noch ein Campingplatz hin oder so was.“
Ich muss mir das Grinsen verkneifen, „Das Ding da heißt Fata Morgana.“
„Quatsch, ich bin doch nicht in der Sahara oder siehst du hier irgendwo Kamele? Da ist ein Weg! Außerdem siehst du das doch auch!“
„Seit wie vielen Jahren kommst du nach Dersummeroog?“
„Jaja, jetzt willst du mich ablenken“, unterstellt sie mir, was gewissermaßen richtig ist. „Seit fünf Jahren, aber früher war ich mit meinen Eltern auch mal hier.“
„Und du hast in der ganzen Zeit keine Kutterfahrt um die Insel unternommen und nie von den Luftspiegelungen hier auf dem Vaarder gehört?“
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