Au weia. Was hab ich ihr denn sonst noch von mir erzählt?
„Cora“, sagt sie freundlicherweise, ohne weiter auf dem Thema herumzureiten.
Ich befasse mich mit dem Frühstück und betrachte sie derweil ein bisschen.
Sie hat kurze, schwarz gefärbte Haare und trägt eine weite, fliederlilafarbene Bluse (23), dazu eine hellgrüne schlabbrige Hose und Sandalen. Alles an ihr ist etwas formlos, sie selber auch. Außerdem sieht sie aus, als würde sie drinnen arbeiten und ihre Hobbys auch nicht im Freien zubringen, so hell ist ihre Haut. Durch die schwarzen Haare wirkt sie noch blasser.
Ich hätte sie nicht angesprochen.
Cora betrachtet die 1897 erbaute Lemmeraak von allen zugänglichen Seiten und inspiziert kleinste Ecken und Winkel. Im Bug bleibt sie vor dem Bild des Heiligen Rasmus stehen, der in hohen Wellen stehend ein Segelschiff im Arm birgt. Der gute Rasmus ist der Schutzpatron der Seeleute. (24) Ich bin zwar überzeugter Christ und halte nichts vom Aberglauben, aber als ich das hölzerne Kunstwerk im Sperrmüll habe liegen sehen, konnte ich nicht anders, als Sint Rasmus einen Platz auf der Kaap Hoorn zu verschaffen.
Cora streicht über die hölzernen Schnörkel und Verzierungen, welche die Kaap Hoorn von so manch anderer Lemmeraak unterscheiden, und freut sich anscheinend an meiner Detailverliebtheit, auch was das bunte Glasscheibenmosaik an der Kajütentür betrifft. Zum Abschluss ihrer Besichtigung fragt sie mich: „Bist du Chile-Fan?“
„Wie kommst du drauf?“, frage ich erstaunt zurück.
„Na ja, weil das Boot „Kaap Hoorn“ heißt. Wenn mich nicht alles täuscht, ist das die südlichste Spitze von Südamerika und gehört zu Chile.“
„Ach so. Mein Urgroßvater hat das Schiff gekauft und ihm den Namen Kaap Hoorn gegeben.“
„Aber warum? War er der Chile-Fan?“
„Nein. Wir heißen van Hoorn mit Nachnamen.“
„Und jetzt wird das Schiff so durch die Familie weitervererbt?“
Ich folge ihr, damit nicht der ganze Hafen unserer Unterhaltung lauschen kann. „Ja.“
„Sprichst du dich dann mit deinem Vater ab, wer es wann haben kann?“
„Nein. Er hatte es nie. Es gehört mir.“
„Warum habt ihr denn eine Generation übersprungen?“
Soll ich ihr umfangreich erklären, dass er mein Vater wurde, lange bevor sein Vater die Kaap Hoorn abgeben wollte und dass dieser Umstand (meine Entstehung) zu einem fünf Jahre dauernden Streit zwischen den beiden geführt hat? Und dass Gerrit es noch schlimmer gemacht hat, indem er die Frau – Lucy – geheiratet hat, hauptsächlich, weil Popp dagegen war?
„Weil er Motorräder toller fand als Schiffe“, sage ich, was zu einem gewissen Grad stimmt.
Jetzt schaut sie in das Blau jenseits der Hafenmauer. „Nimmst du mich mal mit, wenn du irgendwohin segelst?“
„Kann ich machen“, und lade sie sozusagen ein: „Wohin willst du denn segeln?“
„Das weiß ich nicht, ich wollte ja auch nur mal mitgenommen werden.“
Ich erkläre meine spontane Einladung genauer: „Du könntest ja heute mal mitgenommen werden. Hast du Zeit?“ Weil sie nickt, frage ich weiter: „Hast du die Insel schon vom Meer aus gesehen?“
„Nur von der Fähre aus, sonst nicht.“
„Na, da hast du aber was verpasst. Die Ansicht auf Westerdorp und den Hafen ist zwar ganz nett, aber du solltest dir die Insel mal von der Seeseite aus angucken. Wenn du nichts weiter geplant hast, würde ich sagen, sollten wir los. Es ist genau das richtige Wetter dafür.“
„Ist noch genug Zeit, um eben zur Pension zu fahren?“
„Wo wohnst du denn?“
„Hier in Westerdorp. Ich brauche ungefähr zehn Minuten, das geht ganz schnell.“
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