Das trübe Wetter von vorhin ist sicher weiter gezogen, aber das, was jetzt am Himmel hängt, macht keinen besseren Eindruck. Obwohl ich kräftig in die Pedale trete, schaffe ich es nicht mehr, dem Regenschauer zu entkommen. Bei der Hofschaft Schylge holt mich das Wetter ein. Weil ich keine geeigneten Klamotten dabei habe, werde ich triefnass, bis ich die Pension erreicht habe. Natürlich war es nur ein kräftiger Schauer, als ich nämlich durchweicht bin, hört das Wetter so schnell auf, wie es angefangen hat. Irgendwie passieren mir im Moment ständig solche Missgeschicke.
Im Haus begegnet mir niemand und ich verschwinde direkt im Bett, nachdem ich meine nassen Klamotten nach ein paar Runden in der Wäscheschleuder an Stuhllehnen, Türklinken und Fenstergriffen aufgehängt habe.(22) Als ich jedoch gerade die Augen zugemacht habe, höre ich Stimmen vorm Haus. Eine kommt mir bekannt vor, das wird Ieuwkje sein. Aber von wem ist die andere?
Eigentlich bin ich viel zu müde und auch zu faul, schon wieder aufzustehen, bloß um zu sehen, wer draußen redet. Aber die Neugier siegt. Ich gehe ans Fenster und schaue heraus.
Im gelblichen Licht der Eingangslampe stehen Ieuwkje und Anno vor der Haustür. Sie halten sich im Arm und sind völlig in einen anscheinend sehr innigen Kuss vertieft.
Ich komme mir vor wie ein Spanner und krieche zurück unter die Bettdecke. Muss Liebe schön sein, denke ich verbittert.
„Schlaf gut“, höre ich sie draußen wispern. Guter Witz. Mit wem denn?
vierzehntes Kapitel
Als ich unter der Dusche stehe, klopft es an der Tür, „Jeremy? Bist du da drin?“
Gestern hätte diese Frage lustig geklungen, da ich ja bisher ziemlich früh aufgestanden bin und wer hätte so früh hier duschen können außer mir? Meine Beschäftigung vom vergangenen Abend hat dieser Angewohnheit jedoch ein Ende gesetzt.
Ich rufe ein „Ja!“ hinaus.
„Unten sitzt eine Dame. Beeil dich, du willst sie doch nicht warten lassen, oder?“
Eine Dame wartet unten? Ich kenne gar keine Dame, erst recht nicht hier auf der Insel! Nur ganz langsam fällt mir ein, dass ich gestern Abend einer Frau meine Adresse gegeben habe. Soweit ich mich noch an sie erinnere, würde ich sie zwar keine Dame nennen, aber das liegt wohl am Altersunterschied zwischen Tante O und mir.
„He, ich rede mit dir“, tönt es erneut durch die Tür, „Was soll ich ihr sagen, wie lange sie sich noch gedulden muss?“
„Entschuldige, ich wusste nicht, dass du noch da bist. Gib mir ‘ne Viertelstunde, dann bin ich soweit“, peile ich grob an, wann ich etwa herunter kommen werde.
Ich bin keiner der Männer, die sich täglich rasieren; und wenn überhaupt, dann nur am Kinn und unter den Armen, der Rest darf sprießen wie er will.
Bei meinem überstürzten Aufbruch in Zuyderkerk habe ich den Rasierapparat nur aus Gewohnheit eingesteckt (in den letzten Tagen hatte ich ja gar nichts mehr mit ihm getan). Auf einmal scheint mir jedoch, dass es eine gute Idee gewesen ist. Ich rasiere die Soldatenfußmatte auf meinem Kopf ab und die Bartkunst auch. Jetzt ist alles gleichmäßig sehr kurz und passt ein bisschen besser zu mir. Vor allem in ein paar Tagen wird es besser zu mir passen: als kleiner Junge hatte ich auch so kurze Haare.
Die Viertelstunde reicht zwar, um in die Küche zu gelangen, hingegen reicht sie nicht, um mich an den Namen dieser Frau zu erinnern. Das Übliche, also auf in den Kampf!
„Guten Morgen“, begrüßt sie mich und als ich das erwidert habe, sagt sie: „Hab ich dich aus dem Bett geworfen? Du hattest gestern keine Uhrzeit gesagt, deswegen bin ich einfach mal so um halb zehn gekommen.“
„Nicht schlimm, ich war schon auf. Sag noch mal deinen Namen.“
Sie grinst. „Das war wohl gestern ein Bier zuviel, he?“
„Ich habs nicht so mit dem Namenmerken.“
„Du bist Lehrer und kannst dir keine Namen merken? Das wird aber schwierig mit so vielen Kindern.“
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