„Weil es am Strand noch nicht geklappt hat?“ Wieder lacht sie. „Nein, so war es nicht. Ich bin nur vorhin in diese Kneipe gekommen und außer dem Platz neben dir war nichts mehr frei. Da hab ich mir gedacht, setz ich mich zu dir.“
Ich mache abgelenkt „Aha“, während ich sie mustere. Sie ist ziemlich pummelig und hat kleine Hände mit kurzen Fingern. Das wird nicht allzu vorteilhaft dadurch betont, dass sie an der linken Hand drei Ringe und an der rechten vier trägt. Es klappert, wenn sie ihr Glas anfasst.
Erst bewahre ich mein Bierglas vor dem Schicksal des Austrocknens, dann stelle ich mich vor. Das scheint mal an der Reihe zu sein. Im Gegenzug erfahre ich, dass sie Cora heißt, in einem Vorort von Utrecht wohnt und Computerprogrammiererin ist.
Das Innenleben eines Computers ist für mich ein Buch mit mindestens sieben Siegeln. Ich weiß nur, wie man damit zum Beispiel ein Examen schreiben kann. Alles andere war immer Helenas Fachgebiet. Vermutlich wird sich daran in der nahen Zukunft nichts ändern, denn sie hat das Fachgebiet mitgenommen und ich habe nicht vor, mir einen eigenen Computer zuzulegen. Das bisschen Schreibkram kann ich in der Schule erledigen.
„Und was machst du?“, kurbelt Cora unser Gespräch weiter an.
„Bin Lehrer. In Zuyderkerk.“
„Wo ist das?“, fragt sie.
„Nordholland, nördlich von Amsterdam. Direkt am IJsselmeer“, erkläre ich die geografische Lage meiner Heimat in Stichpunkten.
„Besonders groß ist das nicht, oder? Ich habe noch nie davon gehört.“ Sie winkt ab, „Egal. Bist du oft hier?“
„Ziemlich.“ Ich werfe einen raschen Blick zur Uhr, der Film dürfte bald aus sein. Ich will den Leuten von Ieuwkjes Clique nicht begegnen. Ieuwkje hatte ich gesagt, dass mir nicht nach einem geselligen Abend zumute wäre, und dann gehe ich in die nächste Kneipe und lerne eine Frau kennen … das passt nicht gut zusammen. „Hab Bekannte hier.“
„Komisch. Ich bin auch oft hier, aber ich hab dich noch nie auf der Fähre gesehen.“
„Ich segle meistens.“ Ich unterdrücke zum mittlerweile dritten Mal ein Gähnen. Offenbar ist Bettgehzeit für mich. Ich leere mein Glas und winke der Frau am Ausschank, dass ich zahlen will.
„Darf ich mir das Schiff mal angucken?“, fragt Cora begeistert.
„Morgen“, bestimme ich, „jetzt ist es zu dunkel.“ Ich glaube nicht, dass sie zu der Sorte Frau gehört, die ein Nachtsichtgerät in der Handtasche hat. (21) „Ich schlaf gleich im Stehen ein.“
„Dann bleibst du besser sitzen. Im Stehen schlafen ist bestimmt sehr ungemütlich“, sagt sie und lächelt mal wieder.
Ich habe das Gefühl, dass sie die ganze Zeit lächelt. „Nee“, widerspreche ich, „besser fahr’ ich nach Hause. Im Sitzen schlafen ist nämlich auch ziemlich ungemütlich, ich krieg dann immer einen steifen Nacken. Außerdem fall ich wahrscheinlich hier runter.“ Wenn ich von dem hohen Hocker falle, breche ich mir bestimmt den Hals. Dann kann mir allerdings der steife Nacken egal sein. Ich sollte mir gründlich überlegen, in welcher Reihenfolge ich vorgehe.
„Wo finde ich dich denn morgen? Im Hafen? Wie heißt denn das Schiffchen?“
Ich gähne, und dieses Mal schaffe ich nicht mehr, es zu verbergen. Es überfällt mich sogar derart, dass ich mir erst zum Schluss die Hand vorhalten kann.
„Mannomann, bist du sicher, dass du noch bis nach Hause kommst und nicht schon auf dem Heimweg einschläfst?“
„Das wird schon gehen“, murmele ich, „komm doch morgen einfach zu mir.“ Ich kritzele die Adresse der Pension auf Coras Bierdeckel.
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