Ieuwkje bringt mich nach einem kurzen Telefonat zu ihrer Freundin Mayra, die auch in Dersum wohnt. Sie stellt uns vor; Mayra ist schlank und dunkelhaarig und ungefähr so alt wie wir. Zu Ieuwkje sagt sie „Du kennst dich ja aus“ und verschwindet durch eine Tür.
Aha. „Womit kennst du dich aus?“, will ich von Ieuwkje wissen.
„Ich mache dir eine neue Frisur.“
„Muss ich irgendwas tun?“, erkundige ich mich vorsichtshalber.
„Ja. Entspann dich bitte. Komm mit.“ Sie geht voraus durch eine andere Tür in einen kleinen Frisörsalon. Niemand ist drin. Hm. Ich dachte ja, sie will nur ein bisschen an mir herumschnippeln … nun gut. Schlimmer als jetzt wird es wohl nicht aussehen, wenn sie fertig ist.
Ich lasse mich am angewiesenen Platz am Waschbecken nieder und Ieuwkje legt mir ein Handtuch um den Nacken, „lehn dich zurück“. Sie drückt mit der Hand sachte gegen meine Stirn, sagt noch einmal „Entspann dich, Jeremy, es tut nicht weh“ und warmes Wasser läuft über meine Haare. Sie nimmt Shampoo und fängt an, meine Kopfhaut zu massieren. Erst will ich das abwehren, aber das geht ja jetzt nicht, ich habe den Kopf voll Schaum und hänge in diesem Becken fest. Kurz drauf bemerke ich, dass es angenehm ist. So angenehm, dass ich die Augen schließe.
Weich und fest kraulen ihre Finger und auf einmal will ich einen Kopf so groß wie ein Elefant haben, damit sie nicht so bald aufhört. Leider passiert genau das, sie spült den Schaum weg, schlingt mir ein weiteres Handtuch um den Kopf, frottiert und ich darf auf einen Stuhl vor einem Spiegeltisch umziehen. Dort verhüllt sie mich und den Stuhl mit einem Umhang aus glattem schwarzem Stoff und fragt: „Hast du irgendwelche Wünsche oder Vorstellungen? Welche Frisur möchtest du haben?“
Ich hebe die Schultern. „Mach was du willst. Und, ähm … kannst du vielleicht den Spiegel da wegnehmen?“ Ich mag mich nicht die ganze Zeit angucken.
Sie lächelt und verdeckt den Spiegel mit einem weiteren Umhang.
Wahrscheinlich ist jetzt der Moment, sie mal zum Thema Helena zu befragen, also ob sie gewusst hat, dass Helena Schluss machen will. Aber ich finde keinen Anfang.
„Willst du Radio hören?“
Ich nicke und sie schaltet es an. Das Lied, das als nächstes anfängt, ist Sultans of Swing vom Album Alchemy. Natürlich quatscht der Moderator ins Intro rein (ich fürchte, es gibt ein Moderatorengesetz, dass man bei den Dire Straits reinquatschen muss), aber das Lied ist ja zum Glück zehn Minuten lang.
Die Schere klappert, die Haarschneidemaschine summt und der Rasierer brummt. Ieuwkje gibt Anweisungen, wie ich den Kopf halten soll und manchmal schiebt sie mich mit einer freien Hand in die gewünschte Position. Einmal sagt sie, dass es besser gehen würde, wenn ich stillhalten würde, da suche ich mir einen langsameren Rhythmus auf den Armlehnen des Stuhls aus. Die klingen nämlich beide unterschiedlich und vorne dunkler als hinten.
Schließlich schaut sie mich prüfend von allen Seiten an.
Was mag sie sehen?
Dumme Frage. Sie sieht einen schlank-knochigen Typen mit langer gerader Nase und grauen Augen, der von Wind und Wetter gebräunt ist. Und der eine neue Frisur hat.
„Bitteschön“, sagt sie und enthüllt den Spiegel.
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