4. Juni 2015

34

Wir hatten sechs überwiegend gute Jahre, aber im Moment würde ich Helena am liebsten auf den Mond schießen und ebenso die Beziehung mit ihr. Und schon gestern hätte ich raufschießen sollen, dass sie mich hat sitzen lassen und dass sie dazu eine reichlich miese Methode erwählt hat. Hätte ich mir mit dem Nachhauseweg am letzten meiner sorglosen Tage etwas mehr Zeit gelassen, hätte ich nur noch leere Schränke und offene Schubladen vorgefunden – sofern die Möbel noch vorhanden gewesen wären. Je länger ich mir diese Variante des Geschehens vorstelle, desto unsicherer werde ich, ob sie mir wenigstens eine kurze Notiz hinterlassen hätte.


zwölftes Kapitel

Ich schätze, dass es acht Uhr ist, als ich am östlichen Ende des Strandwanderweges und am Beginn der Vogelschutzzone angekommen bin. Ich bin auf die Schätzung angewiesen, weil ich gestern meine Uhr abgenommen habe, weil die Ablagerungen darunter schon Farbe und Geruch angenommen haben, und danach habe ich sie prompt im Bad vergessen.
Aber die Mühe hat sich gelohnt. Ich bin jetzt fertig mit Nachdenken, fertig mit der Beziehung und auch mit Helenas Art, diese zu beenden.
Ich habe zwar von hier aus einen recht weiten Weg zurück zu meinem Fahrrad, aber das ist nicht so schlimm.

„Moin“, begrüße ich meine Gastgeber, die hinterm Haus im windgeschützten und mit gelbem Backstein ausgelegten Eckchen (18) sitzen und frühstücken.
„Moin, min Jong“, grüßt Tante O, „Ich hatte mich schon fast gewundert.“
„Gewundert? Worüber?“, frage ich und hole mir diesmal mein Geschirr selbst. Der Blick zur Küchenuhr zeigt: meine Schätzung war falsch, denn ist erst jetzt acht Uhr.
Ieuwkje schenkt mir Tee ein und ich wärme meine Hände an der bauchigen Keramiktasse. Natürlich könnte ich auch Kaffee zum Frühstück wollen, aber weil noch keiner gekocht ist, gebe ich mich pflegeleicht und trinke das, was da ist.
„Nein“, lacht Tante O, „nur darüber, dass du zum Frühstück nicht wieder hier bist. Auswärts nächtigen passiert, da kann man nichts dran machen.“
Ieuwkje schnuppert und bemerkt: „Seit du hier bist, riecht es, als wäre das Salzfässchen ins Kochwasser gefallen. Hattest du ein Rendezvous mit einem Heringsschwarm?“
Ich hebe den Pfannendeckel. „Oh, Rührei … möchte noch jemand?“
Ieuwkjes Mobiltelefon klingelt, sie schaut aufs Display und sagt: „Entschuldigt, es ist die Chefin, da muss ich drangehen“ und verschwindet nach drinnen.
„Iss es bitte auf“, sagt Tante O lächelnd.
„Alles?“
„Natürlich. Ich weiß doch, was du magst.“
„Aber du wusstest nicht, wann ich zum Frühstück kommen würde.“
„Sagen wir es so – ich habe damit versucht, dich anzulocken. Es hat geklappt.“
Demnach hat das Rührei bis fast ans Oostend geduftet! Mannomann. Aber es schmeckt einfach sensationell gut, ist fluffig, saftig, es war auf den Punkt lang genug auf der Flamme. Und ich musste dafür nichts tun. Großartig.
Belustigt schaut sie mir beim Essen zu und sagt dann: „Mir scheint, du hast nicht auswärts genächtigt, sondern nur auswärts und nicht genächtigt. Sonst hättest du nicht so einen Kohldampf. Schlafen ist nicht so anstrengend.“

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