Und wenn es nicht um orange oder grün ging, sondern um schwarz, dann war es auch nicht richtig. Ich habe nämlich nur schwarze Tennissocken, damit es immer so aussieht, als hätte ich ein Paar gleiche an. Außerdem vereinfacht es das Sockensortieren nach der Wäsche um ein Vielfaches. Sie fand, dass es schlampig sei und dass ich ein bisschen mehr Sorgfalt auf meine Kleidung verwenden sollte.
Meine abendliche Trägheit hat sie auch aufgeregt. Ich habe im Beruf genug Lärm und bin gerne abends zuhause und sie wäre lieber öfter tanzen gegangen.
Und natürlich meine nicht nur abendliche, sondern ganztägige Unruhe. Ich bin immer in Bewegung. Die normalste Sache der Welt bei einem Schlagzeuger: alles ist Rhythmus. Sie hat das gewusst – besser gesagt, sie ist deswegen auf mich aufmerksam geworden. Nach einem Auftritt der Bigband der Pabo bin ich vom Rektor der Hochschule höchstpersönlich geehrt worden als bester Schlagzeuger der letzten zehn Jahre. Helena war im Publikum und hat mich hinterher angesprochen und damit fing alles an mit uns. Sie hat also gewusst, worauf sie sich einließ, und trotzdem hat sie sich manchmal aufgeführt, als würde ich das absichtlich machen. Dabei denke ich gar nicht darüber nach, es ist in mir drin und muss raus, und sollten eines Tages alle meine Gliedmaßen am Fußboden festgeschnallt werden, wird ganz sicher mein Herz den Takt fortsetzen, auch wenn es dazu schneller schlagen muss als sonst.
Es ist Abend geworden, aber ich mag nichts essen und auch keine Gesellschaft.
Mittlerweile hat es richtig aufgefrischt, der Wind pfeift mir um die Ohren. Für T-Shirt und Segeljacke ist es zu kühl, denn es ist eine überwiegend sternenklare Vollmondnacht. Ich mache mich auf den Weg zum Hafen. In der Eile meines gestrigen Aufbruchs habe ich nur Sachen für warmes Wetter erwischt, doch das ist nicht weiter schlimm. Auf der Kaap Hoorn habe ich immer einige Kleidungsstücke für alle Wetterlagen deponiert, ein Rollkragenpulli ist auch dabei. Als ich das handgestrickte Teil anhabe, wird mir gleich wärmer.
Ich fahre hin und her, stelle am Naturschutzgebiet das Fahrrad ab, gehe Menschen aus dem Weg, kehre nach Umwegen zum Fahrrad zurück, fahre weiter und bedaure einen kurzen Moment, auf der Insel zu sein. Früher oder später landet man am Strand. Will ich denn schon wieder die große Ehrlichkeit? Na ja, jetzt bin ich hier, und Ehrlichkeit kann in meiner Situation nicht schaden. Im trockenen Sand schiebe ich mir eine Mulde zurecht und lasse mich darin nieder. Zurückgelehnt betrachte ich durch die nach Osten eilenden Wolken ein paar Sterne.
Natürlich habe ich auch ein paar Eigenschaften, die Helena gefallen haben, denn sonst wären wir wohl nie so lange miteinander zurecht gekommen.
Zum Beispiel fand sie es toll, dass ich so gut kochen kann und mir auch die restliche Erledigung des Haushalts nichts ausgemacht hat. In diesen Dingen war sie nämlich nicht nur unmotiviert, sondern auch ziemlich unbegabt. Ohne deine Haushaltskünste wäre ich längst pleite und verhungert, hat sie oft gesagt.
Bei dem Thema fällt mir prompt wieder etwas ein, das ihr nicht gefallen hat. Als eher störend hat sie nämlich empfunden, dass ich nicht von meiner vollwertigen bis vegetarischen Ernährung lassen wollte. Ich vertrage eben kein Fleisch. Die meiste Zeit ist es mir zu anstrengend gewesen, ständig zwei verschiedene Gerichte zu kochen. Meistens fand Helena mein „Vogelfutter“ auch lecker und sie hat sich nicht beschwert. Aber manchmal eben doch.
Außerdem mochte sie, dass ich … Ich denke lange und intensiv nach, aber mir fällt nicht mehr ein. Haben ihr wirklich nur meine Fähigkeiten im Haushalt an mir gefallen? Wie haben wir es auf dieser dürftigen Basis so lange ausgehalten?
Auf einmal fällt mir ein, was sie noch an mir gemocht hat. „Schneid dir nie deine Haare ab.“ Kochen, putzen und waschen kann ich noch immer, aber dank der völlig beknackten Idee mit dem Imagewechsel kommt für meine Frisur jeder Rettungsversuch zu spät.
Abwechselnd in Mulden herumsitzend und am Wasser laufend verbringe ich die Nacht. Ich bilde mir ein, dass ich meine Denkaufgaben schneller hinter mir habe, wenn ich alle auf einmal erledige.
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