4. Juni 2015

30

„Du könntest auch deinen nächsten Urlaub bei mir verbringen, und mir jeden Tee machen. Das würde mir richtig gefallen. Noch schöner wäre es natürlich, wenn du eine Frau wärst, so ein hübsches junges Ding, aber da ist wohl nichts mehr zu machen.“ Als sei er zutiefst betrübt über diesen unabänderlichen Zustand, blickt er vor sich hin und schüttelt kummervoll sein graues Haupt.
„Ja, da bist du wirklich arm dran“, antworte ich und stehe auf, „Ich hab nämlich nicht mal eine Schwester, die ich dir als Ersatz bieten könnte.“ Aha! Ferdinand scheint auch nicht bloß Tante Os Hausfreund zu sein, sondern dazu noch ein – zwar alter – Kerl, der auf junges Gemüse steht.
Nach seinem „Du findest die Küche schon, wenn du sie finden willst!“ verlasse ich den sonnigen Vorplatz und gehe hinein. Drinnen ist es recht kühl und dunkel, und nach der gleißenden Helle draußen kann ich erst gar nichts erkennen. Zu meiner Linken ahne ich eine Tür, und als ich sie aufgeschoben habe, stehe ich schon mitten in der Küche. Der Raum ist klein und verwinkelt und voll schmutzigen Geschirrs.
Aus welcher Tasse wollte Ferdinand seinen Tee trinken? Und wo finde ich in diesem Chaos eine Teekanne? Das hat Tante O sich wohl nicht so gedacht, als sie uns sozusagen eingeladen hat. Andererseits, nehme ich an, wird sie wissen, wie es in der Küche ihres Hausfreundes aussieht. Ebenso oft, wie Ferdinand sie zuhause besucht, ist sie bei ihm.
Bevor ich also „teekochend“ zur Tat schreiten kann, muss ich mir erst mal ein bisschen Platz schaffen, und in diesem Falle heißt das: den Abwasch erledigen. Ferdinands Küche ist nicht meine, und eigentlich haben wir nichts miteinander zu tun. Aber es kann nie schaden, bei jemandem in guter Erinnerung zu bleiben. (15)

Weil draußen so gute Luft ist, öffne ich das kleine Fenster oberhalb der Spüle und höre die beiden alten Freunde miteinander reden. Ich will gerade weghören, denn vermutlich geht es mich nichts an, was sie sich zu sagen haben, als ich meinen Namen vernehme.
Jetzt ist es zu spät zum Weghören.
Ferdinand fragt gerade: „Wie kommt es eigentlich, dass er alleine hier ist und nicht mit seiner Freundin?“
Danke, dass du mich dran erinnerst, denke ich genervt, ich hatte sie fast vergessen!
Tante O lacht. „Er setzt eben Prioritäten. Wenigstens einer, der das tut, denn von dir kann man das wohl nicht erwarten.“ Dann sagt sie ernster: „Nein, sie hat ihm den Laufpass gegeben. Sei so gut, mach keine Bemerkungen. Ich glaube, es nimmt ihn ziemlich mit.“
„Wie könnte ich denn Bemerkungen machen?“, regt Ferdinand sich künstlich auf. „Nie mache ich Bemerkungen!“
„Jaja“, sagt Tante O.
Nach ein paar Minuten fängt Ferdinand erneut an: „Ich kenn ihn ja nun nicht besonders gut, den Jeremy, aber … wäre er nicht was für deine Ieuwkje?“
„Weiß ich nicht. So besonders gut kenne ich ihn auch nicht.“
„Und wenn du ein bisschen Vorarbeit leistest? Er wohnt doch bei euch im Haus. Es muss ja langsam mal voran gehen mit der Ieuwkje.“
„Findest du etwa, sie wäre alt?“, fragt Tante O.
„Nein, natürlich nicht“, wehrt Ferdinand eilig ab, „so war das nicht gemeint. Aber jünger wird sie nicht.“
„Das sagt genau der Richtige. Ausgerechnet du konntest dich nie entscheiden, ob du heiraten solltest, und wenn ja, welche der vielen Frauen, die du so an einem Abend um den Finger wickeln konntest, oder es lieber ganz sein lassen. Wenn ich da so an früher denke, als du noch jung und frisch warst“, deutet sie an.
Ich glaube, es ist besser, wenn ich mich jetzt mal mit etwas anderem befasse als den beiden da draußen, sonst verrate ich gleich laut prustend meinen ungewollten Lauscherposten.

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