„Und was ist bei euch los, wenn ihr nicht Streit habt?“, fragt Ieuwkje. „Kann es bei euch beiden etwas geben, das schlimmer ist als Streit?“
„Ja. Sie hat mich verlassen.“ Es fühlt sich immer noch an, als hätte ich Watte im Hirn, wenn ich mich das sagen höre.
„Sie hat dich verlassen?!“, wiederholt sie ungläubig.
„Ja.“
Ieuwkje hat normalerweise auch keine Probleme mit dem letzten Wort – egal wozu. Aber dazu fällt ihr nichts ein. Wir verabschieden uns bald.
Nach der Arbeit besuche ich Mommi und lasse mich ein bisschen betüdeln. Danach bin ich vielleicht fünf Minuten wieder zuhause, als Ieuwkje erneut anruft. Sie verkündet mir, dass sie mit ihrer Tante gesprochen hat, und dass die es auch gar nicht fassen könne, dass Schluss ist. Und dass sie gesagt habe, dass nicht länger Helena und Jeremy gern gesehene Gäste des Hauses seien, sondern nur noch ich und sie nicht mehr. Momentan sei zwar kein Zimmer frei, aber sie will die Klappliege ins Wohnzimmer stellen oder sich etwas besseres einfallen lassen. Ich soll nicht lange warten, sondern am Wochenende kommen.
Na, mal sehen. Ich bin so oft mit Helena auf der hübschen Watteninsel gewesen, dass ich nicht weiß, wo ich hingehen kann, ohne an sie erinnert zu werden. Und solche Fleckchen habe ich gerade jetzt dringend nötig.
Ein außerdem entscheidender Faktor ist das Wetter, das mich zurzeit nicht so überzeugt. Die Kaap Hoorn ist in Binnengewässern nur seetüchtig bis zu Windstärken von fünf, allenfalls sechs Beaufort, darüber ist es purer Leichtsinn, in See zu stechen. Schon bei fünf Beaufort ist sie nicht mehr angenehm zu segeln.
Irgendwie überstehe ich die Tage bis zum Wochenende. Als es endlich erreicht ist, bin ich so ausgelaugt und kaputt, dass ich die meiste Zeit im Bett verbringe und nicht mal die Kraft finde, etwas zu Essen zu machen. Samstags kommt Mommi und bringt mir Gemüseeintopf, den sie sogar in meiner eigenen Küche aufwärmt. Füttern muss sie mich nicht; ihr zuliebe täusche ich Appetit vor und verdrücke eine Tellerfüllung. Sonntagmittag rufe ich beim Oostindia-Imbiss am Hafen an und bestelle eine Portion Frühlingsrollen, an der ich aber abends immer noch kaue, weil mir der Hals ständig wie zugeschnürt ist. Sämtliche Freude am Essen ist mir abhanden gekommen.
Die einzige Arbeit, zu der ich mich aufraffen kann, ist meine tägliche Bibellese wieder aufzunehmen. In den letzten Tagen konnte ich noch weniger als das, was man mit „keinen klaren Gedanken fassen“ umschreibt. Besinnungslos habe ich mich von meinem Alltag hin und her wirbeln lassen und nichts wirklich mitbekommen. Das soll nun ein Ende haben. Ich sehne mich danach, dass Jesus mir durch seine Heilige Schrift ein gutes Wort sagt.
Das tut er oft, doch an diesem Wochenende bekomme ich nichts von ihm zu hören. Und nicht nur das: ich kann mich überhaupt nicht auf die Verse konzentrieren. Ich begreife nicht mal, was ich da lese, obwohl ich schon mehrfach das Buch Joel gelesen habe.
Das passt zu meinem schiefhängenden Selbstfrieden.
siebtes Kapitel
Die neue Woche verspricht, ebenso anstrengend und grau zu werden. Montagmorgen hieve ich mich aus dem Bett, tappe in die Dusche (10) und begebe mich dann an die Arbeit, als hätten Samstag und Sonntag gar nicht statt gefunden. Vielleicht denke ich heute Abend dran, beim Tischtennis abzusagen.
Gegen zehn Uhr weiß ich, dass diese Woche noch anstrengender werden wird. Eine Unterrichtshelferin meldet sich krank, und die Kinder scheinen sich abgesprochen zu haben, alle auf einmal zu kommen.
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