4. Juni 2015

18

Wenn ich die Gelegenheit bekomme, zu einer anderen Band zu gehen, werde ich das ohne groß nachzudenken tun. Irgendwelche Trommeln werde ich schon finden.

Erst Abends bin ich wieder in meiner Wohnung. Obwohl ich es nicht für möglich gehalten hätte, hat mir die Gesellschaft der anderen gut getan. Die Radfahrt nach Hause hat mich zur Ruhe kommen lassen, doch jetzt bricht wieder alles über mir zusammen.
Helena war hier und hat ihre restlichen Sachen abgeholt. Im Flur fehlt das Schuhregal, das Bad hat kein Handtuchschränkchen mehr und in der Küche stehen meine vielen Kochbücher gestapelt auf dem Boden. Hingegen das Bücherbord im Wohnzimmer ist bis auf die selbstgebauten Buchstützen und meine paar Fach- und Comicbücher leer. Es bringt nichts, die Kochbücher dorthin umzuräumen, denn was will ich im Wohnzimmer mit Kochbüchern? Die brauche ich in der Küche. Da kann ich aber das Regal nicht aufhängen, es ist zu lang.
Immerhin hat niemand zusätzliches Chaos geschaffen. Auf dem Küchentisch liegt ein zugeklebter Brief mit meinem Namen drauf. Ich frage mich, wer hier sonst verkehren würde, dass sie extra meinen Namen drauf schreibt. Kurz überlege ich, den Brief ungeöffnet wegzuwerfen, aber dann mache ich ihn doch auf.
„Hi Jeremy“, steht da, „Das war’s also mit uns. Tut mir Leid, dass es so dreckig abgelaufen ist. Vieles, das du jetzt für wahr hältst, ist nicht wahr“ Ich lese nicht weiter. Keine Ahnung, was sie damit begründen oder erklären will, es interessiert mich nicht. Ich zerknülle das Papier und schmeiße es weg.
Von gestern ist tatsächlich noch Bier übrig geblieben, das trinke ich jetzt aus.

Ich halte das hier nicht aus! Es ist so deprimierend, die ganze Wohnung erinnert mich an Helena; alles weist darauf hin, dass sie fort ist. Die Zimmer sind zugleich voll und leer. Alles, was aus den paar Räumen eine gemütliche Wohnung gemacht hat, ist weg.
Ich nehme einen großen Müllbeutel und werfe alles rein, was mit Helena zu tun hat. Fotos, Notizen, lieb gewonnene Kleinigkeiten, Sachen, die sie vergessen hat mitzunehmen und solche, die mich einfach so an sie erinnern.
Und das Bettgestell fliegt auch raus.
Im Möbelhaus gab es damals kein passendes für unsere breite Matratze, das uns gefiel. Helena hat ihre Wünsche geäußert und ich habe unser Liebesnest genau nach ihren Vorstellungen gebaut. Ich kann nicht jede Nacht da drin liegen, die Erinnerung macht mich wahnsinnig. Helena hat mal gesagt, dass ich kein besonders virtuoser Liebhaber bin, aber gute Hausmannskost liefere. Ha. Möchte mal wissen, wie sie ihren Schwabbel mit „virtuos“ in Verbindung bringen will, aber das ist zum Glück nicht mein Problem.
Ich schraube das Gestell auseinander und will die Einzelteile schon runter vors Haus tragen, damit sie beim nächsten Sperrmülltermin abgeholt werden, als mir eine Idee kommt. Pieter verkauft doch ständig irgendwelche Sachen, da kann er bestimmt auch ein Bettgestell verkaufen. Aber dafür ist es geschickter, wenn ich das Holz hier in der Wohnung lasse, dann wird es nicht nass. Also muss es erst mal im Flur bleiben.
Müde und ziemlich fertig stehe ich in meiner Bude rum, die jetzt wirklich fast leer ist. Warum hat sie mir nicht eher gesagt, dass sie einen Anderen hat? Als ich neunzehn war, habe ich sie kennen gelernt, und jetzt, mit bald siebenundzwanzig, stehe ich völlig unerwartet alleine da. Ich frage mich, wofür die ganzen letzten Jahre waren.

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