Dass er nicht viel redet, heißt jedoch nicht, dass er gar nichts sagt. Als er in die Scheune gekommen ist, hat er mich ein paar Mal von der Seite angesehen. Weil ich nicht freiwillig erzähle, was mir widerfahren ist, fragt er irgendwann: „Was ist mit dir?“
Ich habe keine Lust, darüber zu reden. „Lass mich in Ruhe.“
„Ist aus mit schones Helena?“
„Frag mich noch so was und ich knall dir eine“, knurre ich ihn an und mir ist egal, dass er mir in einer Prügelei überlegen sein wird. Ich lasse ihm allerdings nicht die Zeit, noch so was zu fragen, sondern fange an zu trommeln.
Nach Liebesbekenntnissen für unser „Großes Halleluja“ ist mir heute nicht zumute.
Es dauert nicht lange, bis Eelco, Lisanne und Maarten in die Scheune kommen, deswegen hören wir mit unserer Art der Improvisation auf. Zuerst gucken auch die anderen Mitglieder der Jesus-Pop-Band fragend zu mir herüber, aber als ich vom Pinkeln zurückkomme, hat Miloš sie offenbar über meine Laune und das, was sie seines Erachtens hervorgerufen hat, in Kenntnis gesetzt.
Natürlich machen wir ab jetzt nur noch gesitteten Pop.
Unser Sänger ist nämlich der Ansicht, dass Jesus kein Heavy-Metal-Fan war und deswegen die Musik nicht toll findet (dabei spielen wir gar kein Heavy-Metal). Außerdem mache sie aggressiv, und das könne erst recht nicht in Jesus’ Sinn gewesen sein, hat er bei seiner bisher letzten Tirade doziert.
Weil Miloš und ich nicht um jeden Preis eine Predigt von Eelco brauchen, lassen wir ihm meist seinen Willen und benehmen uns wie brave Popmusiker, die gerne in der von ihm gegründeten Kirchenband mitspielen. Dabei tun wir das eigentlich nur, weil wir bisher keine andere passable Band gefunden haben oder unseren Hintern noch nicht hochgekriegt haben, um eine eigene Band zu gründen. Vor allem das zweite trifft auf mich zu.
Eelco und ich kennen uns nämlich nicht erst seit der Jesus-Pop-Band. Vorher haben wir ein paar Jahre gemeinsam in der Jugendgruppe unserer Gemeinde verbracht, was keine ungetrübte Zeit war. Eelco ist nicht damit einverstanden gewesen, dass ich einfach so mit Helena zusammen gewohnt habe, und weil er der Leiter der Gruppe gewesen ist, hat er sich dafür verantwortlich gesehen, mir Moral und Anstand beizubringen – weil das ja anscheinend niemand sonst getan hatte.
Sex vor der Ehe ist für ihn ein absolutes Tabu. (8) Er lebt sehr streng nach den Grundsätzen der Bibel und erwartet diese Prinzipientreue auch von seinen Mitmenschen.
Wochen-, ja monatelang hat er damals auf mich eingeredet und mir immer wieder mein sündiges Verhältnis vor Augen geführt, bis es mir irgendwann gereicht hat und ich die Gruppe verlassen habe. Man könnte sagen, dass er mich rausgeekelt hat. Er sieht das natürlich anders und fühlt sich völlig unschuldig.
Warum ich mich nach dieser verkrachten Vergangenheit darauf eingelassen habe, in seiner Band zu spielen, weiß ich nicht mehr genau. Vermutlich hatte ich Hoffnungen, dass er außerhalb seiner geliebten Jugendgruppe (die mittlerweile ein ziemlicher Eelco-Club geworden ist, habe ich gehört) anders mit mir umgeht.
Gewissermaßen tut er das, denn er redet nicht mehr ständig von Sünde, wenn es um Helena und mich geht. Allerdings kultiviert er jetzt einen eher herablassenden Umgang. Ob das besser ist, sei mal dahingestellt. Eelco hält sich für denjenigen, der alles weiß und kann und der von allem jede Menge Ahnung hat. Es ist nicht ratsam, eine andere Meinung als seine zu haben, denn das führt zu endlosen Debatten. Vielleicht sind Miloš und ich ja masochistisch veranlagt, schließlich fordern wir genau das gelegentlich heraus.
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