Diese Scheune ist der einzige Ort, wo ich zu jeder Tageszeit nach Herzenslust trommeln kann, ohne dass sich jemand über den Lärm beschwert. Ich könnte mich prima abreagieren.
Je länger ich darüber nachdenke, desto verheißungsvoller erscheint es mir.
Der Mini-Camping Mooie Uitzicht befindet sich außerhalb der Stadt; ich brauche etwa zehn Minuten, bis ich da bin.
In der Urlaubssaison befindet sich die Meldestelle des Campingplatzes auf der Veranda von Maartens Oma, und wenn man eine Frage zu egal welchem Thema hat, kann man auch dorthin gehen. Den Schlüssel für die Scheune bewahrt die Oma ebenfalls auf.
Ich drücke die Klingel und die alte Frau kommt. Sie hat ihre Brille nicht auf, daher bemerkt sie die Veränderung an mir nicht. Das ist mir recht. Ich muss mich schon bei jedem Blick in eine spiegelnde Fläche vergewissern, dass ich es bin, der mir da entgegen schaut. Das wird nicht leichter, wenn ich ständig gefragt werde, was bloß mit meinen ach so wunderschönen Haaren passiert ist. Allerdings ist mir heute der Gedanke gekommen, dass ich froh sein kann, dass ich mir im Suff nur die Haare abgeschnitten habe und keine Körperteile, die nicht so gut nachwachsen.
Bei meinen Sachen habe ich Ohrstöpsel, falls es mal etwas lauter wird. Ein Akustiker hat sie eigens für mich angepasst, sie bestehen aus farblosem Latex und ich kann verschieden starke Lärmfilter hineinstecken, sodass ich freie Auswahl habe, wie viel ich nicht hören will. Sie waren teuer, aber schließlich will ich in zehn Jahren nicht schwerhörig sein, auch wenn ich ein lautes Hobby habe. Ich verstopfe mir die Gehörgänge, fange an zu trommeln und nun kann meinetwegen die Welt untergehen. Ich würde es nicht mitbekommen.
Ungefähr eine Stunde bin ich alleine in der Scheune, und in der Zeit betreibe ich wirklich Leistungssport! Ich bin nass geschwitzt, als Miloš kommt, das ist unser (einfach formuliert) exjugoslawischer Bassist.
Dieser Typ ist ein großes Rätsel. Er hat angegeben, Serbe und Bosnier zu sein – geht denn das beides zugleich? Sein Niederländisch ist sehr schlecht; wenn er mal was sagt, sind das nur einzelne Wörter und selten ein bruchstückhafter Satz. Man könnte denken, dass er nur mit Landsleuten zu tun hat und deswegen unsere Sprache nicht kann, aber er ist immer alleine unterwegs. Warum hat er sich dann aber ausgerechnet solche Labertaschen wie uns als Gesellschaft ausgesucht? Leider weiß man auch nie, was er denkt oder wie seine Stimmung ist, weil er meistens eine undurchschaubare Mimik hat.
Er ist sportlich, läuft kilometerweit bei jedem Wetter und schwimmt im Meer. Andere Hobbys scheint er (neben der Band) nicht zu haben. Ob er eine Arbeit hat und wenn ja, welche, haben wir noch nicht erfahren können. Will er nicht darüber reden? Oder versteht er nicht, was wir von ihm wissen wollen?
Alles das wird sein Geheimnis bleiben, bis es mit der Verständigung einfacher wird. Und das wird sehr lange dauern, so klein wie seine Fortschritte bisher waren!
Trotz aller Unterschiede haben er und ich jedoch eine Gemeinsamkeit entdeckt, denn wir sind beide keine Popmusiker. Seit wir das wissen, sind wir Kumpels. (7) Wenn wir zwei uns alleine in der Scheune treffen, vergnügen wir uns mit lauten, harten und vor allem ziemlich schnellen Rhythmen. Dazu brülle ich in irgendeiner Sprache Liebesbekenntnisse ins Mikro, die an meinen himmlischen Papa gerichtet sind.
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