Um neun sind alle Kinder da (das heißt, wer später kommt, kommt zu spät und nicht mehr rein) und wir fangen üblicherweise erst mal mit einem Stuhlkreis an. Jedes Kind hat dann die Möglichkeit, zu erzählen, was es bewegt.
Anschließend dürfen die Kinder sich selbst beschäftigen, also spielen, basteln, Bücher anschauen oder sich jemanden suchen, der ihnen vorliest. Um zehn gibt es Frühstück. Jedes Kind bringt sich Pausenbrot und Obst mit, die Getränke holt jemand aus der Schulküche. Mittwochs ist Rohkosttag, dann essen wir Müsli, Obst und Gemüse. Wenn ein Kind Geburtstag hat, hat es die Gelegenheit, den anderen Kindern etwas mitzubringen. Ist die Familie des Kindes zu arm, backt einer von uns einen Kuchen.
Nach dem Frühstück kommen dann die Einzelbetreuungen dran. Kinder mit Migrationshintergrund bekommen Sprachunterricht, solche mit Sprechstörungen werden logopädisch unterstützt. Grietje hat eine Sonderausbildung zur Logopädin, derweil befasse ich mich mit den kleinen Sprachschülern.
So eine Unterrichtseinheit dauert fünfzehn Minuten, damit die Gruppe nicht zu lange nur unter einer Aufsicht ist. Unterrichtshelfer und Praktikanten stehen uns dabei zur Seite; sie beaufsichtigen die Kinder, während wir uns unseren Spezialgebieten widmen.
Nach den Einzelförderungen gibt es noch Kleingruppen, zum Beispiel für die „Großen“ Englisch, Lesen und Schreiben und für alle Turnen, Handwerken und Musikalische Früherziehung. Und die anderen Kinder können weiterhin basteln, spielen und so weiter.
fünftes Kapitel
Zuyderkerk ist eine Kleinstadt in Nordholland und liegt am IJsselmeer. Vielleicht hängt es mit der eher ländlichen Lage zusammen, dass wir nachmittags nur noch knapp ein Drittel der Kinder da haben. Die zuständigen Elternteile – meist sind das die Mütter – haben nachmittags genug Zeit oder Lust, sich selbst um ihren Nachwuchs zu kümmern.
Die Arbeiten des Nachmittags teilen sich die Mitarbeiter der drei Gruppen auf. Manche meiner Kollegen haben nur eine halbe oder Dreiviertelstelle, aber nachmittags gibt es auch keinen Unterricht wie Vormittags, weil sonst die Nachmittagskinder den anderen etwas voraus hätten. Wir Mitarbeiter von den ersten beiden Gruppen haben die ausdrückliche Order, die Nachmittage nur mit „spielen“ zu verbringen. Das ist manchmal gar nicht so einfach, denn die Übergänge zwischen Spiel und Förderung sind fließend.
Heute Nachmittag werde ich die kleineren Kinder übernehmen, das sind üblicherweise etwa zehn bis fünfzehn. Bei Schönwetter sind es aber immer weniger als wenn es regnet – und im Sommer weniger als im Winter, deswegen verwundert es keinen, dass ich nach der Mittagsruhe nur neun Kinder im Raum der Driehoeken in meine dienstliche Obhut zu nehmen haben werde.
Ich habe geplant, mit ihnen Inseln zu bauen. Der Untergrund soll ein blauer Pappteller sein, und die Insel besteht dann aus Papier, Kleister und anderen Sachen, die wir in Schulhof und -garten finden werden. Danach werden wir über jede der Inseln einzeln sprechen und das Kind hat die Möglichkeit zu erklären, warum es seine Insel so gestaltet hat. Das stärkt zugleich die Fantasie wie auch die Feinmotorik, und die Kommunikation kommt nicht zu kurz. Ich glaube nicht, dass ich damit zu sehr fördere.
Kurz vor Ende der Mittagspause erscheint Grietje in der Abgeschiedenheit des Gruppenraumes, in den ich mich verzogen habe, weil ich heute keine Lust auf Gesellschaft habe. Erst recht nicht auf Gesellschaft von so hübschen Mädchen wie Bianca und Nebahat, welches unsere aktuellen Praktikantinnen sind, und die mich (besonders Nebahat mit ihrer dunklen Lockenpracht) tierisch an Helena erinnern. Zum Glück endet ihre Praktikumszeit bald.
„Du, Jeremy“, macht sie und setzt sich zu mir an den Tisch, wo ich wegen mangelnden Appetits schon mit meinen Vorbereitungen für den Inselbau begonnen habe. Außerdem habe ich auch gar nichts zu essen eingepackt. „Meinst du, dass es gut ist, wenn du heute mit den Kindern allein bist?“
„Was soll denn das heißen?“
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