„Dann ist ja gut. Ihr mögt euch also alle.“
Ihr Redefluss klingt, als wäre es auf den letzten paarhundert Kilometern sehr schweigsam zugegangen im Auto. „Nieke, du musst sie unbedingt kennen lernen. Sie sind großartig, alle miteinander. Ganz anders als Sloba, auch wenn er nichts davon hören will. Und die meisten Kusinen sprechen gutes Englisch. Ist dir übrigens aufgefallen, dass wir jetzt beide junge Männer haben?“
„Junge Männer, das klingt, als wärt ihr schon um die siebzig“, bemängelt der ältere von uns zwei Jünglingen. „Dijana hat mich gefragt, ob du Ende zwanzig wärst.“
„Echt?“, kichert sie. „Das ist ja süß. Nieke, versuch mal, die zweite Herbstferienwoche frei zu kriegen. Dann wollen wir wieder hin.“
Jetzt habe ich was zu bemängeln. „Aber nicht in dieser Keksdose. Da passen doch auch wieder nur Kurzbeinige rein.“
Sie wechselt einen Blick mit Miloš. Als ich fragen will, warum sie das tun, sehe ich, dass Nieke in den Blickwechsel einbezogen ist.
Merle lässt mich nicht zu Wort kommen. „Nein, es ist größer als meine alte Kiste. Komm, du kannst probesitzen“, schlägt sie vor.
„Später“, bremst Miloš sie. „Erst räumen wir das Auto leer. Die Kühlakkus sind bestimmt durch. Und dann brauche ich etwas zu essen.“ Mich fragt er: „Sind noch Steaks da?“
„Ist denn heute Fleischgemüsetag?“ Ich beschließe, ihn später nach der Bedeutung des Blickes zu fragen.
„Nach der Fahrt, ja. Es war irrsinnig viel los auf den Straßen. Ich muss duschen, bevor ich mich bei euch niederlasse.“
„Mach das. Ich geh mal einen Grill ausleihen.“ Ich will schon über den Zaun steigen, als Nieke meinen Arm berührt. „Du kannst es auch auf diesen Grill legen.“
„Fleisch? Neben das Gemüse?“
„Du musst es ja nicht aufeinander legen.“
„Ist das wirklich okay für dich?“
„Ich kann das trennen. Im Kopf. Es ist kein Gift, es ist seine Mahlzeit.“
„Gut“, erwidere ich erstaunt. Die für Überzeugungsvegetarier ungewöhnliche Erkenntnis muss damit zusammenhängen, dass sie Freundschaft geschlossen hat mit Miloš.(391)
Ich versammle unsere Spezialitäten auf zwei Dritteln des Rosts. Derweil hat sie eine Tüte mit Grillfleisch in Senfmarinade aus dem Eisschrank geholt.
„Warum habt ihr euch eben alle so angeguckt?“, frage ich und lege zwei Steaks auf.
„Was meinst du?“
„Als ich gesagt hab, dass Merles neues Auto auch eine Keksdose ist, habt ihr euch alle angeguckt. Worum ging es da?“
„Lass uns doch erst beim Ausräumen helfen.“ Sie will zum Auto, aber ich halte ihre Hand fest. „Aua!“, beschwert sie sich und ich lasse los.
„Komm, hilf mit, das Fleisch verbrennt nicht so schnell.“
„Nein, ich will das jetzt wissen. Warum habt ihr euch so angeguckt? Und warum willst du jetzt nichts dazu sagen?“
„Jeremy“, sagt sie. Es ist der Tonfall, in dem sie mich höflich darauf hinweist, dass ich als nächstes eine ihrer Grenzen übertrete.
„Ihr guckt euch alle an und es geht um mich und ich weiß nicht, worum es geht!“
„Jeremy“, sagt sie erneut, diesmal mit mehr Nachdruck. Aber immer noch leise.
„Sag es ihm“, mischt Miloš sich ein, der die ganze Zeit mit Sachen zwischen dem Auto und dem Haus hin und her gegangen ist, also nicht mitbekommen haben kann, worüber wir reden und anscheinend doch genau im Bilde ist.
Das ärgert mich noch mehr. „Ich find das scheiße, wenn ihr Geheimnisse vor mir habt!“
„Er hat recht“, sagt er und schaut sie auffordernd an. Nieke seufzt. „Reg dich bitte ab. Und versprich mir, dass du dich dann nicht noch mehr aufregst.“
„Na toll“, grummele ich. „Rück raus.“
„Wir wollen fliegen.“
„Warum wollt ihr unbedingt in den Schulferien nach Peckovar, wenn ich gar nicht mitkommen kann?“
„Hör mir doch bitte bis zum Ende zu“, bettelt sie.
„Ich höre.“
Sie fasst meine Hand, aber ich mache mich los.
„Jeremy“, mahnt Miloš.
„Halt dich raus“, schnaube ich ihn an. „Vor wie vielen Sekunden habt ihr das eigentlich verabredet?! Oder redet ihr schon viel länger drüber? Ihr kommt nach Hause und ich denk, alles ist normal und dann stelle ich fest, dass ihr mir die ganze Zeit was vorspielt!“
„Jeremy!“, fleht sie wieder, jetzt mit nassen Augen.
„Und du hör auf zu heulen! Ich hasse diese Tränen-Manipulier-Scheiße!“
„Entschuldige bitte.“ Sie holt ein Taschentuch raus und trocknet sich das Gesicht. Dann setzt sie sich an den Tisch.
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