„Trotzdem wollte ich sie nicht kritisieren. Das steht mir nicht zu.“
„Ich sags nicht weiter, versprochen. Und jetzt denk nicht mehr drüber nach. Kommst du mit?“ Ich gehe zur Tür.
„Wo willst du hin?“
„Merle ist weg, aber hast du gesehen, dass Miloš gegangen ist? Ich nicht. Also muss er noch oben sein. Was tut er da, ganz alleine?“
„Gute Frage.“
„Siehste. Gehen wir rauf.“
„Nein, geh lieber alleine zu ihm. Ihr kennt euch besser. Ich werde nach Hause … hm. Meine Sachen sind ja noch oben.“
Miloš liegt auf dem Boden und hat seine Füße auf das Sofa gelegt; als wir den Raum betreten, nimmt er sie runter und steht auf.
Sie packt die Geige wieder ein und verabschiedet sich mit einem Winken.
„Was ist los?“, erkundige ich mich auch bei ihm.
„Hormone sind los, und zwar bei Merle“, schnaubt er. „Die spinnt doch.“
Okay, das klingt nicht, als sei er an einer zeitnahen Versöhnung interessiert. Ich nehme meinen Kram und fahre heim.
Das Telefonat mit Merle gestern Abend war sehr kurz. Sie wolle nicht darüber reden, Miloš habe ihre Gefühle verletzt und sie sehe derzeit keine Hoffnung für die Donnerdrummels. Und fertig.
Das Wörtchen „derzeit“ hat mir Hoffnung gemacht, aber ich tappe nach wie vor im Dunklen, worüber sie sich eigentlich so in die Haare gekriegt haben. Miloš hat nämlich bei unserem gemeinsamen Frühstück auch kein Wort dazu verloren. Sie haben sich ganz sicher nicht darauf geeinigt, aber anscheinend sind sie beide der Überzeugung, dass es besser ist, wenn ich nichts zum Inhalt des Streits erfahre. Schließlich hänge ich ja mitten zwischen ihnen!
Schweigsam geht es auch am nächsten und übernächsten Tag zu.
Es ist natürlich nicht so, dass ich die ganze Zeit um ein Gespräch bitte oder vergebens die Ohren aufsperre – ich habe mit beiden genug andere Themen, über die es sich zu sprechen lohnt. Allerdings belastet mich das kollektive Anschweigen, je länger es dauert.
Ich rede viel mit Jesus darüber und segne sie mit Frieden, aber bisher hat das keinen sichtbaren Erfolg gebracht.
Die einzige Beziehung, die entspannter geworden ist, ist meine zu Sloba. Wir sehen uns im Laufe dieser Woche dreimal und sie wird nicht zudringlich. Sie redet auch nicht die ganze Zeit von Sex oder macht schlüpfrige Andeutungen. Ich weiß nicht, woran das liegt, aber ich merke, wie ich innerlich aufatme und von Treffen zu Treffen lockerer werde.
hunderteinundachtzigstes Kapitel
Ich müsste glücklich sein. Oder wenigstens befriedigt.
Aber ich bin es nicht.
Sloba liegt neben mir und schläft.
Nach dem Kinofilm sind wir noch eine Kleinigkeit essen gegangen. Am Ende dieses durchweg angenehmen Abends habe ich sie nach Hause gebracht. Das gehört sich ja so.
Unter einem Vorwand hat sie mich nach oben gelockt und nach allen Regeln der Kunst verführt, hat zuckersüß und sanft (und unnachgiebig) meinen Widerstand gebrochen mit Mitteln, die ihr nur jemand über mich gesagt haben kann, der mich sehr gut kennt. Ich habe keine Ahnung, wer diesen Verrat ausgeheckt hat; ich will niemanden zu Unrecht verdächtigen.
Ich komme mir vor wie Samson, als Delila ihm die Locken der Kraft abgeschnitten hatte.
Leise stehe ich auf und mache mich davon.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen