„Woher weißt du das so genau?“
„Es hätte anders ausgesehen, wenn es dich hätte beißen wollen.“
„Woher weißt du das, du hast sein Gesicht nicht gesehen!“
„Ich weiß es halt. Willst du vielleicht auch mal ein bisschen drauf sitzen?“
„Das geht ja gar nicht so einfach. Was machst du, wenn der Besitzer dagegen ist?“
„Warum sollte er? Der ist übrigens eine Frau, sie wohnt in der Achtzehn, und ich hab schon oft mit ihr geredet. Sie ist nett. Wir können sie fragen.“
„Lass mal“, brummt er und geht zurück zum Sofa.
„Du hast also doch Angst.“
„Nein, habe ich nicht!“, regt er sich auf, und lässt auch serbische Wörter folgen, die sich bestimmt auf mich beziehen – ich erkenne keins.
Ich finde das lustig, denn es beweist einmal mehr, dass er längst nicht so abgeklärt ist wie er immer tut. Angst vor Ponys! Wenn ich das den Nachbarmädels erzählen würde!
hundertachtzigstes Kapitel
Ich habe mich nicht mit meines Mitbewohners schlechtem Umgang mit sich selbst abgefunden, auch wenn das vielleicht so aussieht. Ich mag nur nicht jedes Mal Streit mit ihm kriegen, deswegen übersehe ich seine zunehmenden Schwächen, leiste Hilfestellung, wo es nötig ist und gucke auch mal weg, wenn ihm was daneben geht. (Das hätte ich sonst auch getan – nur dass ihm halt nichts daneben gegangen wäre.)
Bei Merle liegen die Dinge da ein klein wenig anders. Aber sie hat auch nicht jeden Tag mit ihm zu tun!
Als wir uns Dienstags im Proberaum treffen, präsentiert sie uns: „Wir sind zum Sommerfest der Stadt eingeladen. Irgendein Kulturschaffender hat unseren Siegeszug verfolgt oder recherchiert und dabei hat er festgestellt, dass wir noch nie in Zuyderkerk aufgetreten sind. Er hat recht, wenn man die Session bei der Helferparty außen vor lässt, und das war ja keine öffentliche Veranstaltung. Das sah nur so aus, weil es so viele Leute waren“, schiebt sie für Nieke ein. „Na ja, dieser Mensch hat uns eingeladen. Wir sollen freitags als Aushängeschild der Stadt beim Bandcontest spielen … also nicht beim Contest selber, sondern die Stimmung vorheizen, und am Samstag als Vorband von den echten Stars auf der Rathausbühne. Große Ehre und so. Was soll ich tun? Absagen? Oder erst mal abwarten?“
„Was ist denn das für eine Frage? Natürlich zusagen“, sagt Miloš.
„Nein“, sagt sie frostig.
„Wie, nein?“
„Du kannst ja meinetwegen in deinem Zimmer Musik machen, aber ich gehe nicht mit dir auf eine Bühne, solange du in dieser beschissenen Verfassung bist!“
„Meine Verfassung geht dich gar nichts an“, kontert er.
„Deine Verfassung geht mich sehr wohl was an!“, brüllt sie ihn nieder. „Wenn wir auf der Bühne sind, muss sich jeder auf den anderen verlassen können und man kann sich nicht auf dich verlassen! Kann sein, dass du so halbwegs gesund bist wie jetzt, kann sein, dass du völlig fertig bist wie vorletzte Woche, als die Bandprobe ausgefallen ist!“
Hätte Nieke ein Schneckenhaus, würde sie sich darin verkriechen, ich sehe es. Sie mag kein Geschrei, auch wenn es ihr gar nicht gilt. Ich berühre ihren Arm und nicke zur Tür. Sie folgt mir erleichtert.
Derweil tost Merle: „Und mit welcher Kondition willst du mindestens eine Stunde Auftritt aushalten? Du kippst doch schon fast um, wenn du mal eine Treppe rauf musst!“
Während wir in den Pausenraum gehen, zählt sie auf, was sie von Miloš’ derzeitigen musikalischen Fähigkeiten hält. Das ist nicht viel. Zwischen ihren Sätzen gibt es Pausen, wahrscheinlich hält er immer noch gegen.
Ich gieße uns Kaffee ein.
„Glaubt sie, das hilft, wenn sie ihn fertig macht?“
Ich winke ab. „Ihr hilft es, Dampf abzulassen. Er geht davon nicht eher zum Arzt, aber das weiß sie selbst, sie kennt ihn lang genug. Er hat einen harten Schädel.“
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