Wir spielen ein bisschen Musik und ich versuche den beiden die Grundlagen der Improvisation nahe zu bringen. In Prinzip ist es ja nur das: man nimmt die richtige Tonleiter und hangelt sich dann harmonisch daran entlang, rauf und runter, alle zwei, drei, vier Töne, Triolen, Quarten und so weiter.
Meine beiden Schüler sind aufmerksam und gelehrig, aber in der Kaffeepause stellt sich heraus, dass sie etwas anderes mindestens genauso stark interessiert: „Welche Musik macht deine Band? Du kannst so viel und erklärst so gut und was hier herumsteht, sieht einfach nicht danach aus, als würdest du so Musik machen wie wir.“
„Ich erkläre wahrscheinlich gut, weil ich Übung im Erklären habe. Beruflich bedingt.“
„Ach ja, du bist Lehrer, hat Alannah gesagt“, unterbricht Sammy.
„Und ich kann viel, weil ich schon sehr lange Musik mache. Wenn ihr wollt, können wir kurz in die DVD von unserem bisher größten Auftritt reinhören. Wir hatten ihn bei einem Radiosender gewonnen, der ein Festival organisiert, der hat auch die Aufnahmen gemacht. Das ist aber schon mehr als ein halbes Jahr vorbei.“
„Habt ihr einen Fernseher hier oben?“
„Nein, im Pausenraum von den Bäckern steht einer und wir dürfen ihn nutzen. Ich geh grad mal runter und frage nach.“
Miloš sagt, dass die Zufälle des Lebens manchmal so seltsam sind, dass man sie, würde man sie in einem Buch lesen, gar nicht glauben würde. Da würde man denken, dem Autor ist nichts realistisches mehr eingefallen, da hat er sich was unrealistisches ausgedacht.
Ein solcher Zufall passiert, als ich unten im Erdgeschoss bin und am Büro vorbei gehe. Durch die Glasscheibe in der Tür sehe ich, dass Steven drin sitzt und telefoniert. Er winkt mir hektisch zu, anscheinend will er was von mir. Ich bleibe stehen und will warten, bis er sein Telefonat beendet hat. Das ist unnötig, denn er kommt zu mir und gibt mir den Hörer. „Für dich. Deine Herzdame.“
„Hoi Sloba“ begrüße ich sie, „woher wusstest du, dass ich hier bin?“
„Ich wusste es nicht, aber Miko hat gesagt, ich soll es hier mal versuchen, weil du zuhause nicht bist und das Schiff ist auch da. Wann sehen wir uns? Ich hab dich vermisst!“
„Wir waren doch nur sieben Tage weg?“
„Man kann sich auch nach sieben Tagen schon vermissen“, lacht sie. „Übrigens ist ja Monatsanfang gewesen und ich habe mein erstes Geld bekommen und will dich einladen ins Kino, und stell dir vor, das habe ich nicht für Dienstag geplant und auch nicht für Samstagnacht, sondern für Freitag. Was sagst du nun?“
Wow, das ist ja mal wirklich neu! Vor allem dass sie so ausdrücklich darauf hindeutet, dass sie ihren Kinoabend nicht ausgerechnet auf die beiden Tage legt, die in meiner Woche nicht zur Verfügung stehen! „Da sag ich nichts, außer dass du mich nicht einladen musst von deinem kleinen Geld.“
„Aber ich will, Đero! Hast du Freitag Zeit?“
„Ich glaub schon, lass mal denken … der wievielte ist das?“
„Der neunte.“
„Okay, gekauft. Freitag, neunter Mai, Sloba, Kino“, diktiere ich mir selbst für die Liste hinten links. „Willst du in Hoorn in eins gehen?“
„Nein, in Alkmaar. Ich habe auch schon einen Film ausgesucht und Karten reserviert, du musst dich um nichts kümmern, nur pünktlich um sieben am Bahnhof sein.“
„Sieben Uhr, Bahnhof Hoorn. Das werde ich schaffen.“
„Okay, dann hab ich schon alles gesagt, was ich sagen wollte. Tschüssi!“
Zack, Gespräch beendet. Daran werde ich mich nie gewöhnen. Ich gebe das Telefon zurück und gehe die drei Schritte weiter in den Pausenraum; deswegen war ich ja eigentlich hier.
Im Aufenthaltsraum sitzen zwei Bäcker, den einen kenne ich vom Sehen, weiß aber seinen Namen nicht, der andere muss ein neuer Kollege sein. „Hoi“, grüße ich sie und sie erwidern im Aufstehen den Gruß. „Darf ich den Fernseher benutzen?“
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