„Mach dich nicht lächerlich!“ Helena stößt die Luft aus. „Du weißt ganz genau, dass ich keinen Anderen habe.“
Ich weiß überhaupt nichts! Ich will das gerade in einem vernünftigen Satz formulieren – ohne anschreien, obwohl mir sehr danach ist – als sie an mir vorbei geht. Im Flur lädt sie sich so viele Taschen auf, wie sie tragen kann. Damit steigt sie die Treppen herunter.
Das geht doch nicht so! Sie kann doch nicht einfach aus heiterem Himmel mit mir Schluss machen!! Wir sind seit sechs Jahren zusammen, da kann sie mich doch nicht stehen lassen, ohne mir zu sagen, warum sie jetzt einfach so geht?!? Ich habe mir noch keine angemessene Reaktion überlegen können, als sie schon wieder im Flur steht.
„In den nächsten Tagen hole ich die restlichen Sachen“, erklärt sie. „Wäre schön, wenn du bis dahin überlegt hast, welche Möbel du behalten willst. Die Sachen im Bad möchte ich gerne haben, vor allem das hohe Schränkchen und die Deko.“
Ich schaffe es, auf meinem Fleck stehen zu bleiben. Viel lieber würde ich ihr jedoch nachrennen und sie festhalten und irgendwie zum Bleiben überreden.
Vorm Haus werden Autotüren zugeschlagen, ein Motor gestartet, dann ist sie weg.
Ich stehe mit leerem Kopf im Wohnungsflur herum, bis ich mir ein Bier aus dem Kühlschrank hole und mich in der Küche niederlasse.
Mechanisch klappere ich die verbliebenen Möglichkeiten ab. Das sind – eine. Ich besaufe mich zusammen mit meinem besten Freund Pieter.
Schon habe ich das Telefon in der Hand, aber er ist nicht da. Na ja, vielleicht ist es besser so. Er wird nicht verstehen, dass Helena mich verlassen hat. So oft hat er gesagt, dass fast nichts in der Welt sicher ist, außer das: Jeremy und Helena sind ein Paar.
Er wird es früh genug erfahren.
Nach einer Weile ist mir sonnenklar: Wir müssen miteinander reden. Ich rufe bei ihr an. Allerdings habe ich kaum den ersten Satz gesagt, als sie mich schon mit „Jeremy, hast du gesoffen?!“ abwürgt und wieder auflegt. Bei meinen nächsten paar Anrufen nimmt sie nicht mehr ab – logo, sie sieht ja meine Nummer auf ihrem Display.
Ich fahre (1) also zur Telefonzelle am Supermarkt und versuche es von dort. „Pass mal auf, Helena, du lässt diesen Typ in Ruhe und kommst zu mir zurück. Du bringst deine Sachen wieder mit und ich tu so, als wär nix passiert“, schlage ich ihr vor. Aber sie hat nichts freundliches zu meinem freundlichen Angebot zu sagen. Stattdessen legt sie einfach auf.
Na warte, denke ich.
Kurzentschlossen mache ich mich auf den Weg nach Alkmaar, wo ihre Eltern wohnen. Die wissen vielleicht, wo ich sie jetzt finden kann. Als ich gut eine Stunde später aus dem Alkmaarder Bahnhof komme, habe ich meinen Plan jedoch geändert und fahre zu Kristien ans andere Ende der Stadt. Hätte sie einen neuen Typen, wäre der mit ihr gekommen, um die Sachen einzupacken und nicht Kristien, die körperlicher Arbeit eher aus dem Weg geht.
Das Haus ist ziemlich neu und hat eine Türsprechanlage. Wenn ich meinen Namen sage, lassen sie mich bestimmt nicht rein. Also behaupte ich, der Pizzaservice zu sein. Wahrscheinlich haben sie aber gar keine Pizza bestellt, denn Kristien fängt mich auf dem letzten Treppenabsatz ab. „Geh wieder nach Hause. Helena will dich nicht sehen“, eröffnet sie.
„Aber ich will sie sehen! Und außerdem soll sie mir erklären, was der ganze Scheiß soll und warum sie gegangen ist und wer der Typ ist und überhaupt!“
„Ich glaube, du verstehst das jetzt nicht–“
Ich lasse sie nicht ausreden. „Na und? Meinst du, morgen versteh ich es besser? Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass ich für nichts und wieder nichts hier hinkomme und mich dann von dir abfertigen lasse!“
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Die Fußnoten findest du links in der jeweiligen Fußnotenliste. Sie sind, entgegen der früheren Version dieses Blogs, nicht mehr verlinkt. Es war mir zu viel Arbeit. Ich bin sicher, dass du es trotzdem schaffst.
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