11. November 2015

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„Wörtlich“, sagt Miloš. „Das sah vielleicht nicht so aus, aber es hat mich umgehauen. Ich werde in der Hölle landen nach dem Tod. Ich werde diesen Scheiß-Krieg verlieren. Ich werde untergehen, egal was ich mir aufgebaut habe. Niemand kann mich retten – außer Jesus. Und es gibt keinen Menschen auf der Welt, der Jesus nötiger hat als ich.“
„Was meinst du damit, kein Mensch hätte Jesus nötiger als du? Du bist doch ein korrekter Typ und klaust tatsächlich keine Handtaschen?“
„Das ist wohl richtig, aber davon, dass Jeremy sich zu Jesus bekennt, bin ich nicht gerettet. Ich muss mich selber zu ihm bekennen. Also habe ich ihn am nötigsten.“
„Das ist alles ziemlich schwierig zu kapieren“, seufzt Merle. „Außerdem ist mein Kopf schon voll mit Musik und dem neuen Text. Erzähl mir später mehr, ja?“
Er grinst. „Klar.“

Du erstaunst mich, denke ich, als ich wenig später nach Hause radele. Jesus scheint dir Fähigkeiten eröffnet zu haben, von denen niemand wusste, dass du sie hast. In deinen früheren Bands, hast du erzählt, hast du dich nie am Singen oder Texten beteiligt … und jetzt kommt ein Lied nach dem nächsten! Bis vor einem halben Jahr hast du nur das nötigste geredet, jetzt fängst du an, die Gute Nachricht zu predigen! Was hat Gott als nächstes mit dir vor?


fünfundsiebzigstes Kapitel

Mommi hat sich beklagt, sie habe mich so lange nicht zu Gesicht bekommen, deswegen besuche ich sie zum Frühstücken, nachdem wir die Werkstatt gestern so schön ordentlich gemacht haben, dass Harm van Houben den Kaufvertrag direkt unterschrieben hat und Pieters Umzug nach IJmuiden einen weiteren Schritt näher gerückt ist. Ich bringe frische Brötchen mit und die Zeitung, die im Briefkasten steckt.
Sie begrüßt mich und schaut mich dann eingehend an. „Bist du verliebt?“, lautet das Ergebnis ihrer Prüfung.
„Ähm … nein … wie kommst du darauf?“ Wir lassen uns am gedeckten Tisch nieder.
„Du hast nicht bloß gute Laune, sondern du strahlst. Das hast du lange nicht getan.“
Jetzt lache ich. „Gibt es vielleicht noch andere Gründe zu strahlen, außer verliebt zu sein?“
Sie lacht auch. „Ganz sicher gibt es andere Gründe. Erzähl sie mir.“
„Einer dieser Gründe heißt Miloš. Mir war das alles nicht klar, aber ich habe endlich mal zum richtigen Zeitpunkt das Richtige gesagt und getan. Er wollte eigentlich bloß wissen, warum ich nicht so viel über Jesus rede wie Eelco. Schließlich kam die Rede auf das Leben nach dem Tod und er hat seine Entscheidung für Jesus gemacht.“
„Wunderbar.“
„Ja, und ich hab dir ja von dem Auftritt in Almere erzählt, und dass wir kaum eigene Lieder dafür hatten. Das hat mich ja ziemlich gestört. Und seit vorgestern ist in Miloš’ Kopf oder Herz oder was weiß ich wo eine kreative Explosion passiert, jedenfalls läuft er über vor neuen Lie­dern, mit Melodie, Text und allem drum und dran. Gestern hat er das erste von fünf präsentiert. Und er hat gleich angefangen, Merle zu missionieren, allerdings so, dass sie interessiert nach­gefragt hat. Ich hab keine Ahnung, wie er das macht, ich könnte das nicht.“ Ich schneide die ersten zwei Brötchen auf.
Mommi gießt Kaffee ein und vermutet: „Dir fehlt die Lockerheit.“
„Ja, aber wenn du dir vorstellst, wie viel oder besser wie wenig er vor einem halben Jahr von sich gegeben hat – ein Wunder!“
„Das mit dem „das Richtige tun“ hat glaube ich mit dem Russisch-Übersetzer angefangen. Seitdem ist er mit Vollgas unterwegs. Sprachlich, meine ich.“

Eine Weile essen wir schweigend, dann fragt sie: „Fährst du noch mal weg? Du hast ja noch anderthalb Wochen frei.“

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