„Bist du die Älteste?“
„Nein, Maurice ist der älteste von uns. Dann kamen Polly und Pippi, die sind Zwillinge und so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Dann kam Theo, dann ich und zum Schluss Sylvie. Aber wir älteren sind so im Abstand von ungefähr zwei Jahren zur Welt gekommen. Als Sylvie kam, war ich schon acht.“
„Sag deinem Bruder, dass ich die Texte erst übersetzen will, damit die Yugos auch alle kommen und zuhören.“
„Ich dachte, man darf nicht Yugos sagen, weil das eine Beleidigung wäre?“
„Na ja, wenn ich das sage, ist das wohl was anderes, schließlich bin ich auch einer. Die Plakate und Flyer würde ich auch gerne übersetzen.“
Ich trete auf das Basspedal, bis die Gespräche verstummen. „Musik machen, Leute!“
„Zu Befehl, Herr Bandgründer!“, schmettert Merle.
„Fang an“, nicke ich Miloš zu.
„Nein, du fängst an. Warte, lass mich mal da hin.“
Ich gebe meinen Platz frei.
Miloš führt mir vor, wie er sich den Anfang seines Liedes vorstellt: mit einem ansteigenden Wirbel auf den Toms.
„Kriegst du“, grinse ich. Als ich wieder hinter den Trommeln sitze, lasse ich die Sticks schneller werdend über die Toms tanzen, grundiere das Intro mit Bass und Becken und dann steigt Miloš ein.
„Gib mir noch mal die Melodie“, ruft Lisanne zu ihm herüber.
Sie bekommt sie in „lalala“ und fügt sich ein in unser Rhythmusgerüst. Merle schnappt sich den Schellenkranz und beteiligt sich, bis sie sich das zweite Mikro holt und röhrend oder summend Miloš’ Text begleitet. „Noch mal von vorne!“, fordert sie.
Wir sind so vertieft in die Musik, dass wir erst mit dem Applaus mitbekommen, dass wir einen Zuhörer haben. Steven steht in der Tür. „Wow! Das ist neu!“
„Willst du mir sagen, dass du alle unsere Lieder von deinem Büro aus unterscheiden kannst?“, frage ich.
„Keineswegs. Aber eure Lieder hatten bis jetzt … na, wie soll ich es sagen … Zuerst waren sie nur schnell und laut. Aber das hier ist was ganz anderes. Eine andere Qualität, versteht ihr? Vor allem deine Vokalakrobatik“, wendet er sich an Merle, „das bringt Tiefe in die Lieder. Macht weiter so.“
„Danke für das Lob. Aber könntest du uns alleine lassen?“, bittet sie. „Wir sind mitten in den Vorbereitungen für einen Auftritt.“
„Ich weiß, Jeremy hat mir davon erzählt. Frohes Schaffen.“
Bis zum Ende der Probe arbeiten wir sehr diszipliniert, sodass das ganze Lied in seiner abschließenden Fassung aufgenommen werden kann. Jeder bekommt seine Kopie und kann es bis zum nächsten Treffen verinnerlichen.
Lisanne guckt auf den Kalender, in den ich die Proben mit allen Beteiligten eingetragen habe. „Ihr Jungs seid Freitag wieder hier … ich komme auch, aber später.“
„Das ist gut, dann können wir das nächste Lied am Freitag anfangen und Sonntag aufnehmen“, sagt Miloš, und zu Merle: „Ich bringe dir die CD nach Hause.“
„Danke. Aber wie viele Lieder hast du denn, wenn man mal so fragen darf?“
„Bis jetzt sind es fünf. Weil sie mir aber alle seit gestern Morgen eingefallen sind, kann es durchaus sein, dass noch mehr kommen. Vielleicht werden wir so sicher im Improvisieren, dass wir das live auf der Bühne genauso tun können. Wir werden nicht so bald eine richtige CD aufnehmen, deswegen ist es nicht wichtig, dass wir die Lieder immer gleich spielen.“
„Und was ist gestern Morgen so weltbewegendes passiert?“
„Frag lieber, was vorgestern Abend passiert ist. Vorgestern Abend hat Jeremy mir Klartext gesagt. Eigentlich wollte ich nur wissen, warum er nie über Gott redet und seinen Glauben und wie wichtig das alles für ihn ist. Damit nerven die Christen einen ja sonst ständig.“ In Lisannes Richtung schränkt er ein: „Anwesende ausgeschlossen. Dann kam eins zum anderen und schließlich hat er mir das gesagt, dass nur ein Weg zu Jesus führt.“
„Hast du das echt so gesagt wie in dem Lied?“, will sie von mir wissen.
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