9. November 2015

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„Ich hab keine Shorts drunter“, wende ich verlegen ein. Vielleicht hat Nachbars Katze sie geklaut, sie ist weg. Und vorhin habe ich nicht dran gedacht, eine neue anzuziehen.
„Dann schwimmst du eben in deiner Jeans. Die trocknet schon wieder, keine Sorge“, beru­higt Pieter mich lachend. „Und du hast ja eh’ nichts drin, was nicht nass werden darf.“
„Wie, nichts drin?“, frage ich verständnislos nach.
„Keine technischen Gerätschaften“, übersetzt mein Bruder.
Ich zucke die Schultern. Ich mag solche Tage nicht, an denen alles anders ist als sonst. Außerdem ist mir die letzte Nacht nicht gut bekommen (besonders der Teil, den ich nicht mit schlafen zugebracht habe) und würde mich am liebsten irgendwohin verkriechen, wo kein Lärm und kein Licht ist und niemand was von mir will. Aber es ist ja nur einmal im Jahr Jung­gesellentour, deswegen lasse ich mir meine Zipperlein nicht anmerken.


zweiundsiebzigstes Kapitel

Beim Schwimmen treffen wir zwei der deutschen Mädels. Sie heißen Svenja und Sonja (sie haben sich schon gestern Nachmittag vorgestellt) aber weil sie eineiige Zwillinge sind, kann ich mir nicht merken, wer wer ist und rede sie mit der Namensneuschöpfung „Svonja“ an. Ich finde das praktisch, denn da ist das meiste vom Namen richtig.
Sie laden uns in ihre Sandburg ein(104) und locken damit, dass sie eine Wassermelone haben. Cokko macht sich auf den Weg zu unseren Sachen und probiert in dem Zuge gleich seinen deutschen Wortschatz aus, denn Svonja begleitet ihn, damit er die Burg findet. Ich wette, heute Abend kann er sich perfekt in der Sprache verständigen.
In der Burg liegen Helena und Ieuwkje und Svonjas Freundin und sind mit Sonnenbaden beschäftigt. Logischerweise habe ich auch den Namen des letzten deutschen Drittels nicht mehr parat, aber ich sperre die Ohren auf und weiß bald, dass die junge Frau Natalie heißt.
Bisher kannte ich nur eine Natalie, nämlich die, die zusammen mit dem vor acht Jahren verstorbenen Fjang Beltsnijder die Mol en Beltsnijder-Basisschool – kurz MBB – gegründet hat. Regelmäßig sitzt sie bei einer der beiden Halbjahreskonferenzen mit dabei und hört zu und betrachtet die Lehrer und Unterrichtshelfer der Schule. Ich mag sie, obwohl ich sie kaum kenne, denn sie hat eine gute Schule gegründet.
Die deutsche Natalie ist von anderer Natur. Sie liest in einem dicken Buch und lacht die ganze Zeit so laut und wiehernd, dass alle Leute im Umkreis daran teilhaben können. Es handelt sich wohl um eine sehr lustige Geschichte.
Die insgesamt fünf Mädels benehmen sich übrigens ganz normal – sofern man das Benehmen von fünf Mädels in Gegenwart von vier gutaussehenden Kerls wie uns als „ganz normal“ bezeichnen kann. Anscheinend haben sie heute früh wirklich nicht zur Unzeit in den Garten geguckt. Nachträglich beruhigt mich das sehr.
Wir verhindern, dass sich allzu viel Flugsand auf der Melone niederlässt, indem wir sie aufessen, bevor die Mädels einen Piep sagen können. Doch sie scheinen nicht böse zu sein, denn sie laden uns ein, mit zur Frittenbude zu gehen. Weil wir die Melone weggegessen haben, laden wir die Mädels ein, abends mit uns zu grillen, bevor wir zur Strandfete losziehen.
Obwohl wir Niederländer in der Überzahl sind, reden wir deutsch, denn wir können es alle einigermaßen, wohingegen die drei Mädels kaum niederländisch sprechen. Wo der deutsche Sprachschatz versagt, helfen wir auf englisch nach, das können die Deutschen ziemlich gut. Nur Miloš hat leider Pech, der versteht kein deutsches Wort und auch kaum ein englisches, aber wir übersetzen ihm alles, was er wissen will. Er hat zwar damals in der Schule als zweite Fremdsprache Englisch gelernt, aber es klingt nicht wie das Englisch, das wir kennen.(105)

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