Seiten

11. November 2015

240

„Keine Zeit. Wir proben fast jeden zweiten Tag in unterschiedlicher Besetzung. In der letzten Ferienwoche sind dazu noch drei Konferenzen in der Schule, und der Auftritt ist dann in fünf Wochen.“
„Nimmst du mich mit?“, fragt sie.
„Nach Almere?! Das wird aber ziemlich laut.“
„Dann stopfe ich mir die Ohren zu. Was ist, nimmst du deine alte Mommi mit?“
„Wenn du willst … warum nicht? Ich hab aber leider schon alle Freikarten verplant.“
„Ist nicht schlimm, ich kaufe mir eine Karte. Vielleicht gibt es ja einen Seniorentarif. Ich kann es mir einfach nicht entgehen lassen, dich auf so einer großen Bühne zu sehen. Wenn dein Popp das noch mitbekommen hätte! Der hätte sich gefreut.“
Ja, denke ich still. Das hätte er.
„Kommen denn auch Gerrit und Marjorie und die Jungs?“
Ich klopfe mir mit der Hand auf die Stirn. Die hab ich ja total vergessen!
Mommi gibt mir das Telefon, „Ruf an, irgendwer wird zuhause sein.“
Ich wähle und prompt kräht mir das kleine C ins Ohr: „Hallo Oma!“
„Hi Chris, hier ist Jeremy. Ist Marjorie da?“
„Ja. Willst du mit der reden?“
„Ja, gerne.“
Ich telefoniere zwölfeinhalb Minuten mit meiner Stiefmutter und lade sie und die restliche Familie herzlich zu unserem Auftritt ein.
Danach reden wir über andere Dinge.

Als ich später vom Visserdijk zurückkomme, wo ich einige Zeit auf der Kaap Hoorn verbracht habe, treffe ich Eelco.
Wir haben uns natürlich seit vergangenem Herbst öfters gesehen, schließlich ist Zuyderkerk nicht besonders groß, aber das Gespräch mit Miloš hängt mir noch ein bisschen nach. Also belasse ich es dieses Mal nicht bei einem oberflächlichen „Hallo, wie geht’s, ja gut, und bei dir, danke, tschüss“, sondern frage: „Hast du ein bisschen Zeit?“
„Kommt drauf an, was du vorhast … und wie lange das dauert“, sagt er überrascht.
„Wir könnten uns da reinsetzen und einen Kaffee trinken“, biete ich an und weise auf eine Bäckerei(115) an der gegenüberliegenden Straßenseite.
Eelco nickt.
Kaum dass wir bestellt haben, komme ich zur Sache: „Wie du dir vielleicht denken kannst, geht es um meinen einigermaßen unrühmlichen Abgang aus der Jesus-Pop-Band.“
„Aha“, macht er und lässt sich an einem der Tische nieder.
„Verschiedene Leute in der Stadt meinen, ich wäre dir noch böse. Miloš hat das erwähnt.“
„Ja, ich hab mich mit ihm darüber unterhalten“, gibt Eelco zu, obwohl es daran nichts zuzugeben gibt.
„Jedenfalls wollte ich dir mal in aller Form mitteilen, dass das nicht so ist. Ich bin dir nicht böse. Und wenn du Bock hast, können wir ein gemeinsames Konzert geben. Also, nicht alle zugleich auf der Bühne, sondern nacheinander.“
Er rührt in seinem Kaffeebecher herum. „Brauchst du eine Vorband?“
Scheint so, dass Eelco dem Frieden nicht traut, und irgendwie habe ich damit gerechnet. „In dem Fall hätte ich gefragt, ob die Jesus-Pop-Band meine Vorgruppe sein will. Ich würde nur gerne für alle klarstellen, dass zwischen deiner und meiner Band kein Unfriede herrscht. Wir haben eine gemeinsame Vergangenheit, die hat einen Bruch erlitten, dann hatten wir ne Zeit, na ja, will mal sagen, wo es ein bisschen kühl zwischen uns war, aber jetzt ist das vorbei und Zuyderkerk hat zwei Bands, die mit verschiedenen Musikstilen den selben Gott anbeten. Mehr will ich nicht.“
„Aha“, macht er noch einmal, und dann: „Ich hab von eurem Auftritt in Almere gehört. Ein richtig großes Ding, he?“

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen